DÄMONENHASS
genau hinsehen, bevor sie sich auf ihre Beute stürzen.«
Als Lardis Männer im Wald ausschwärmten, rief er ihnen nach: »Sobald ihr hier fertig seid, macht euch auf den Weg zum Felsen und haltet die Köpfe unten. Heute Nachmittag machen wir weiter.« Er wandte sich einem Mann zu, der abseits stehen geblieben war. »Janos Raccas: Du hast dich freiwillig gemeldet, hierzubleiben und die Falle im Auge zu behalten. Ich werde dir nicht Glück wünschen, denn ich bin sicher, dass wir heute Abend oder spätestens morgen früh am Zufluchtsfelsen einen heben werden.« Er packte den Unterarm des anderen. Schließlich wandte er sich an Nathan, Kirk und seine Wachposten: »Also gut, auf geht’s. Der Tag ist einfach zu kurz, und nur im Schein der Sonne herumzustehen ist die reine Verschwendung ...«
Nathan erzählte seine Geschichte und ließ dabei lediglich seine unterirdische Reise entlang des Großen Finsterflusses aus. Was er den Thyre schuldete, war unschätzbar, und diese Schuld wollte er nicht durch Verrat vergelten. Lardis gab ohnehin keinen Kommentar ab, da ein Mann im Verlauf dreier Jahre ganz offensichtlich weite Strecken zu überwinden vermochte. Nathan hatte seine ereignislose Wüstenwanderung eben ausgelassen.
Doch während Nathan erzählte, spürte er ab und zu Lardis’ Blick auf sich ruhen, in dem etwas Fragendes, Grübelndes, Rätselndes lag. Aber welche Frage stand dahinter? Vermutlich konnte er die Gedanken des anderen mühelos lesen ... aber er tat es nicht. Von den Thyre hatte er gelernt, dass man die privaten Gedanken anderer achten sollte.
Lardis bewegten tatsächlich seltsame Mutmaßungen über Nana und einen Mann, der Harry Höllenländer genannt wurde und aus einer anderen Welt stammte, über Nathan und seine Herkunft. Der Sohn des Hzak Kiklu? Nein, das war er nicht. Lardis hätte es wissen müssen. Aber wenn Nathan nicht Hzaks Sohn war, wessen Sohn war er dann? Etwa Harrys Sohn? Nathan war schon immer seltsam gewesen. Aber so seltsam? Er hatte bei Vampiren gelebt und war wieder zurückgekehrt ...
Als Lardis schließlich merkte, dass die Augen des Jungen auf ihm ruhten, riss er sich zusammen. Seine Gedanken waren müßig, Nana allein kannte die Wahrheit. Nana, oh ja. Und jetzt fielen Lardis noch andere Dinge ein ... doch er musste sie zumindest für den Augenblick beiseite schieben.
Viel wichtiger war Nathans Warnung über den bevorstehenden Blutkrieg, die Nachricht, dass die Wamphyri von Turgosheim einen Einfall in das Gebiet Wrathas und ihrer Spießgesellen auf der Sternseite planten, der in vier Monaten stattfinden sollte. Am Ende dieses Krieges würde, ganz gleich, wer daraus als Sieger hervorging, der Schatten über der Sonnseite um etliches finsterer geworden sein, und den Szgany drohte der endgültige Verlust ihrer Freiheit. Denn wenn es so weit war, würden die Vampire ausgehungert sein, und sie konnten sich nur auf der Sonnseite sättigen.
Dann schwieg Lardis eine Zeit lang. Seine Gedanken waren verschleiert und seine Stimmung düster, als sie mit weit ausgreifenden Schritten über einen Waldpfad eilten. Doch nach einer Weile knurrte er: »Nur, wenn wir so schwach sind, dass wir es zulassen, und in dem Fall verdienen wir es nicht besser. Aber wir sind nicht schwach, Junge – bei Weitem nicht –, und früh gewarnt ist halb gewonnen. Lass mich dir jetzt erzählen, was sich in der Zwischenzeit bei uns getan hat ...
Die Wamphyri sind seit damals acht weitere Male über Siedeldorf hergefallen, aber nie mit der gleichen Wirksamkeit wie bei jenem ersten Mal, und es kam sie stets teuer zu stehen. Überrascht es dich, dass wir immer noch da sind und uns wehren? Das sollte es nicht. Wratha und ihre Schläger machen uns zu schaffen, das ist wohl wahr, aber dennoch zählen sie nicht mehr als eine Handvoll. Ich weiß noch, wie ich in deinem Alter war und es vor Vampiren nur so wimmelte. Wir haben uns damals gewehrt, und wir werden uns immer wehren. Vergiss nie, wir haben zwei mächtige Verbündete: das Grenzgebirge und die goldene Sonne.
Acht Mal sind sie zurückgekommen, aber das letzte Mal ist schon eine Weile her. Damals verlor Misha ihren zweiten Bruder Nicolae. Aber die Wamphyri haben noch viel mehr eingebüßt. Wir haben Waffen, Nathan, und verfügen über Intelligenz und Menschlichkeit! Sie dagegen haben bloß ihren Blutdurst und ihren Hass aufeinander. Als sie zum ersten Mal kamen – in der Nacht, in der sie deinen Bruder Nestor und meinen Sohn Jason raubten –, standen sie unter
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