DÄMONENHASS
als Letztes, was soll aus dem Garten werden?«
Der Herr nickte. »Mit all diesen Dingen werden wir uns beizeiten befassen. Meine Mutter ... liegt im Sterben. Ich habe sie alt werden sehen, obwohl sie in Wahrheit noch jung ist. In der Welt, in der sie geboren wurde, sind Frauen ihres Alters noch im Vollbesitz ihrer Kräfte, aber das war nie ihre Bestimmung.« Seine krächzende Stimme nahm einen bitteren Unterton an. »Von dem Tage an, als sie meinen Vater traf, war ihr Leben vorgezeichnet, ohne jede Möglichkeit, einen geraden Verlauf zu nehmen. Sie war nicht schwach, aber sie war auch nicht stark ... genug. Sie war eine ganz gewöhnliche Frau, und Harry ist – er war – außergewöhnlich. Und doch ist ihr Leben nicht unglücklich verlaufen. Hier im Garten ist sie sogar glücklich gewesen. Ihre Heimsuchung ist derart, dass sie alle schrecklichen Dinge aus ihrem Geist ausschließt, bis fast alles ausgeschlossen ist. Und jetzt lebt sie allein darin.«
»Doch nicht allein, Herr!«, protestierte Lardis.
Der Herr hob eine schlanke Hand. »Ich weiß, ich weiß: Meine Leute achten gut auf sie und erhalten ihr Lächeln als Belohnung. Diese Reaktionen sind jedoch automatisch; sie gehorcht lediglich ihren Instinkten. Sie ist meistens allein – aber nicht mehr lange. Bald schon wird sie sich den Reihen jener anschließen, die vorangingen und weiterziehen von diesem Ort wie eine Weinranke, die über die Mauer wächst. Und es ist wohl wahr, dass dahinter Welten liegen, und ich darf nicht zu viel erwarten. So sei es denn: Lassen wir ihr schlichtes Lächeln alsbald den Garten eines anderen erhellen. Bis dahin bleibe ich bei ihr, ich und einige meiner Leute, die sie nicht verlassen wollen ...« Er hielt inne. Nach einer Weile sagte er: »Was dich und dein Volk betrifft, Lardis – ihr werdet auf der Sonnseite gedeihen, ganz sicher. Und ich? Nun, ich sorgte für mich, meine Mutter und den Garten schon lange bevor die ersten von euch Szgany sich zu mir gesellten; und jetzt ... habe ich außer Wanderern und Trogs auch noch andere Freunde. Und außerdem keine Feinde mehr.« In einer scheinbar fließenden Bewegung, nicht unähnlich der Art der Wamphyri, stand er auf und schritt zu dem Fenster, das den Garten überblickte. Lardis folgte ihm und sah zu, wie er das Fenster öffnete, sich leicht hinauslehnte und den Kopf zu den nebelverhangenen Berggipfeln hob. Ein geisterhaftes Heulen klang herab, leise und unheimlich und hallend unter dem hellen Mondlicht. Hinter seiner goldenen Maske lächelte der Herr.
»Mir und den meinen wird nichts geschehen«, fuhr er fort, als das Heulen schließlich erstarb. »Binnen Kurzem werden mich selbst meine Getreuesten verlassen. Ich werde sie darum ersuchen, und wenn es so weit ist, werden sie dazu bereit sein.«
»Aber ... warum isolierst du dich?« Lardis versuchte verzweifelt, seine Beweggründe zu verstehen. »Wirst du allein zurückbleiben?«
»Hier bleiben? Ach, nein. Aber ich werde gelegentlich zurückkommen, um auf meine Weise mit ihr zu sprechen ...«
»Mit deiner Mutter? Wenn sie ...«
»Wenn sie tot ist, ja.«
Einen Augenblick lang glaubte Lardis, das Abbild roter Flammen am Rand der Augenhöhlen der Goldmaske zu sehen, und er bemühte sich, sein plötzliches Erschauern zu unterdrücken. Wamphyri war der Herr, aye – und noch viel mehr. Denn wie sein Vater vor ihm verfügte auch er über – nun ja, besondere Kräfte!
Der Herr sah Lardis an, legte ihm die bleichen, schmalen Hände auf die breiten Schultern und dachte: Er ist tapfer, dieser Mann. Tapfer und treu. Er sollte mich fürchten, sogar vor mir fliehen, aber er behauptet sich. Was auch immer geschehen mag – ganz gleich was –, ich werde ihm und den seinen nicht schaden. Niemals!
Es schien, als habe Lardis ihn gehört. Sämtliche Furcht wich von ihm, und wie groß diese Furcht gewesen war, hatte er bis eben kaum erkannt. Schließlich straffte er sich und nickte: »Dann scheint es, als hätten wir nichts mehr zu besprechen«, sagte er. »Hm – natürlich mit Ausnahme deines Vaters.«
Der Herr nickte langsam und bedächtig. »Wie steht es mit ihm?«
Darauf grunzte Lardis und zuckte hilflos die Achseln. »Wir pflegen ihn, geben ihm zu essen, wachen über ihn, wenn ihn das Fieber ergreift«, sagte er. »Alles gemäß deinen Anweisungen – aber seine Krankheit kennen wir nicht. Du sagst, dass ihr beide von euren eigenen Waffen verbrannt wurdet, von den gleißenden Sonnenstrahlen, mit denen ihr die Wamphyri vernichtet habt.
Weitere Kostenlose Bücher