Dämonenherz
kleines Lederetui aus seinem Koffer und öffnete es. Auf dem nachtschwarzen Samt lagen mehrere Ampullen und Einwegspritzen. Summers hatte ihm gezeigt, wie er mit dem Besteck umgehen sollte. Mittlerweile hatten seine Beschwerden zugenommen, und die Begegnung mit Anna hatte das Ihrige dazu getan, dass es seinem Herzen nicht gerade besser ging.
Es wurde Zeit. Höchste Zeit. Lange würde er das nicht mehr durchhalten.
Nachdem er sich das Medikament verabreicht hatte, wartete er, bis es wirkte und das Pochen seines Herzens zum Stillstand kam. Mit dem Abklingen der Symptome nahm sein Ärger zu. Eine Amazone war kostbar. Er wollte Anna nicht verlieren. Zumindest jetzt noch nicht. Außerdem musste man sie noch vorbereiten auf das, was ihr bevorstand. Alles in allem viel Aufwand und Arbeit, die man investierte. Das sah man nicht gerne als rauchendes Häufchen Asche auf dem Teppichboden.
Sandrine griff an zwei Fronten an. Instinktiv musste sie geahnt haben, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war, die Maske fallen zu lassen. Sie wollte ihn vernichten und sein Imperium übernehmen. Dazu war ihr jedes Mittel recht.
Weller sah hinüber zu seinem Smoking, den der Hausservice bereits gebügelt an die Garderobe gehängt hatte. Ball des Zodiak. Wie sehr er das hasste. Aber Sandrine liebte dramatische Auftritte in der Öffentlichkeit. Um ihn zum Duell zu fordern, brauchte sie Zeugen. Und wo fanden die sich in größerer Menge als auf dem ersten gesellschaftlichen Ereignis Europas? Zumindest des alten Europas, setzte Weller in Gedanken hinzu, denn ein wenig angestaubt waren Ball und Gäste schon. Aber sämtliche Fürsten, Barone und Herzöge erschienen dort, begleitet von ihren Ghulen, und mischten sich unter die Menschen. Es hatte ein bisschen was von einem geheimen Klassentreffen, und vor allem die Älteren unter ihnen freuten sich auf dieses Ereignis. Dort also würde er Sandrine heute Abend treffen. Und dort würdesie ihm, dem Ritual entsprechend, den Fehdehandschuh vor die Füße werfen. Von diesem Moment an wäre der Kriegszustand zwischen Europa und Amerika offiziell.
Anna hatte keine andere Aufgabe, als dabei zu sein und die Kriegserklärung mitzubekommen. Tiefer musste sie nicht eingeweiht werden. Noch nicht. Bis jetzt war er sehr zufrieden mit dem, was er erreicht hatte. Unwillkürlich musste er lächeln.
Es war so leicht gegangen. Er hatte sie so weit gebracht, dass sie alles für ihn tun würde. Eigentlich hatte er etwas mehr Widerstand erwartet. Er hatte geglaubt, um sie werben zu müssen, doch sie hatte sich ihm von selbst hingegeben. Ich würde sterben für dich . Genau das hatte er hören wollen.
Kleine Anna.
Es wird der Tag kommen, an dem ich dich an dieses Versprechen erinnern werde.
Wieder raste der Schmerz in seiner Brust. Verdammt, wirkten Summers’ Medikamente etwa nicht mehr? Mühsam stand er auf und ging zum offenen Fenster. Dort holte er mehrmals tief Luft, doch das beklemmende Gefühl wollte einfach nicht verschwinden. Vorsichtig tastete er nach seiner Brust und fand, was er suchte.
Da. Kaum spürbar, aber regelmäßig. Zu regelmäßig, um noch normal zu sein. Er schloss die Augen und lehnte sich an den Fensterrahmen. Er hoffe, das Schlagen seines Herzens würde aufhören, aber es blieb. Wieder sah er Summers’ Gesicht vor sich.
»Sie wird für dich sterben. Wirst du das ertragen?«
»Natürlich«, hatte er geantwortet. Er hatte keine Angst.
Mit einem Stöhnen warf er sich auf sein Bett und starrte an die Decke. Was war es, das einen Menschen an sein eigenes Herz erinnerte? War es Angst? War es Liebe? War es das Leben? Vielleicht sogar alle drei Dinge zusammen, die gemeinsam einen Namen schrieben: Anna.
Anna schlenderte die Kärntnerstraße hinunter und betrachtete die Schaufenster. Aber zu ihrer großen Enttäuschung blieb die Freudeaus. Bisher war es eine ihrer größten Leidenschaften gewesen, etwas zu finden, das schön war und trotzdem nicht ihr Budget sprengte. Anna war mit Leib und Seele Schnäppchenjägerin. Das war fast schon ein Hobby geworden, und sie war stolz auf ihre Garderobe, die immer nach mehr aussah, als sie gekostet hatte.
Aber wie fühlte sich das an, wenn man alles, aber auch wirklich alles haben konnte? Lustlos ließ sie ihren Blick über die Auslage eines Geschäftes schweifen. Die Fußgängerzone war belebt, viele Touristen waren unterwegs und drängelten sich in der Altstadt rund um den Stephansdom. Sie ging weiter und ließ sich von den Menschen mitziehen. Ob Weller
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