Dämonenherz
genauer ansehen. Sag mal, wieso ist deine Nase so rot?«
»Rot? Wie rot?«
»Nicht so schlimm. Fällt nur auf, wenn man dich wirklich kennt.«
Mit einem wissenden Lächeln lehnte Vicky sich wieder zurück. Ein wieselflinker Kellner brachte ihre Bestellung, und die nächsten Minuten widmeten sich Anna und Vicky ausschließlich ihrer Sachertorte, über die sie herfielen wie hungrige Wölfe.
»Ich könnte den ganzen Tag essen«, stöhnte Vicky, nachdem sie in Blitzgeschwindigkeit ihren Teller geleert hatte. »Und stell dir vor, ich nehme kein Gramm zu! – Wie ist er so?«
»Wer?«
»Weller.«
Anna ließ die Kuchengabel sinken. »Du meinst als Chef?«
Vicky schüttelte den Kopf. Ihre Augen funkelten amüsiert. »Ich sehe es dir doch an der Nasenspitze an.«
»Was denn?«
»Du bist über beide Ohren in ihn verknallt.«
Anna schob den Teller weg. Plötzlich hatte sie keinen Hungermehr. »Das stimmt nicht. An meiner Meinung über ihn hat sich nicht das Geringste geändert.«
»Und an deinen Gefühlen?«
Anna suchte nach Worten. Wie einfach wäre es, wenn alles noch so wie früher wäre! Wenn sie Vicky vertrauen könnte. Aber selbst das hatten Weller und Sandrine zerstört. Sie holte tief Luft. Es half nichts, es musste heraus.
»Vicky … was sich neulich in unserem Büro abgespielt hat, wir müssen darüber reden.«
»Was meinst du denn?«
»Du warst plötzlich so anders. Du hast in diese Papiere gesehen, und es war fast so, als ob ein Geist aus ihnen heraus in dich gefahren wäre.«
Vicky, die nach ihrer Kaffeetasse gegriffen hatte, hielt mitten in der Bewegung inne. Verblüffter als sie konnte niemand in diesem Moment aussehen.
»Ein Geist? Nein. Du irrst dich.«
»Ich irre mich nicht. Was ist los? Sag mir, was geschehen ist. Vielleicht kann ich dir helfen!«
Vicky setzte die Tasse so heftig ab, dass der Kaffee über den Rand schwappte.
»Da«, sagte sie. »Da ist es wieder! Mein Gott, Anna, wenn du dich reden hören könntest! Ich bin doch kein Baby mehr, das hilflos herumkrabbelt. Ich brauche deine Hilfe nicht! Ich komme sehr gut ohne dich zurecht. Wenn du glaubst, du kannst mir ein Kleid kaufen und dir damit das Recht nehmen, über mich zu bestimmen …«
Ihre Stimme brach. Anna holte tief Luft.
»Das tue ich nicht. Ich mache mir nur Sorgen um dich.«
»Genau! Genau das ist es! Wie ich deine Bevormundung hasse …«
Aus Vickys Kehle stieg ein Schluchzen.
»Ich zahle.« Vicky nahm die Papierserviette und tupfte sich die Augen damit ab. »Ich muss mich auch nicht von dir einladen lassen.«
»Schongut, Vicky. Schon gut.«
Eine tiefe Enttäuschung breitete sich in Anna aus. Das war nicht mehr die Vicky, die sie kannte. Sandrines Gift begann immer zu wirken, wenn die Sprache auf Geld kam. Am liebsten hätte Anna auf der Stelle in ihre eigene Serviette geheult, so weh tat ihr dieser Gedanke. Stattdessen steckte sie das Portemonnaie wieder weg, griff nach ihrer Sonnenbrille und setzte sie auf. Vicky sollte nicht an ihren Augen erkennen, was sie dachte: dass Sandrine sich ihre Freundin langsam, aber sicher zur Marionette machte.
»So sitzen wir jetzt in Wien und verderben uns die paar Minuten, die wir beisammen sind.«
Anna bemühte sich, ihrer Stimme unbefangen klingen zu lassen. Vicky zerknüllte ihre Serviette und wirkte immer noch gekränkt.
»Ich wollte dich nicht verletzen«, fuhr Anna fort. »Niemals. Wenn ich es trotzdem getan habe, dann verzeih mir bitte.«
Es war ein aufrichtiges Angebot an die alte Vicky, doch Anna musste erkennen, dass es die wohl nicht mehr gab.
»Dann möchte ich dich bitten, mich in Zukunft etwas respektvoller zu behandeln.«
»Okay, okay.« Anna hob entschuldigend die Hände. »Wie lange bleibst du in Wien?«
»Bis morgen. Und du?«
»Auch.«
Vicky winkte dem Kellner, der beflissen an ihren Tisch eilte und aus ihrer Hand einen Geldschein entgegennahm.
»Wir werden die Ballköniginnen sein«, versuchte Anna es noch einmal. Sie hob eine der glänzenden Tüten hoch und reichte sie Vicky. Diese nahm sie ohne eine Regung an.
»Du vielleicht. Ich habe zu arbeiten. Wir sehen uns. Servus.«
Vicky stand auf und ging. Anna schaute ihr so lange hinterher, bis die vertraute Gestalt von den vielen Passanten verdeckt wurde. Dann sah sie auf ihre Uhr.
»Ballvorbereitung die Zweite«, murmelte sie.
18 .
V or den Stufen der Oper drängten sich die Fotografen. Das große Schaulaufen der Prominenten war bereits vorbei, als Anna eintraf. Die Fotografen wirkten
Weitere Kostenlose Bücher