Dämonenherz
Hotel gebracht hatte. Verwirrt griff sie sich an die Stirn. Wieder so ein Traumbild.
Die Tür zu seiner Suite steht halboffen. Sie geht durch den Flur. Sie hat wenig Zeit, jemand verfolgt sie. Das Papier in ihrer Hand leuchtet. Sie streckt die Hand aus.
Die Fahrstuhltüren öffneten sich. Vor ihr stand ein junger Mann vom Typ Londoner Investmentbanker.
»Frau Sternberg?«
»Ja.«
»Ich bin Sam. Herzlich willkommen.«
Anna scheuchte den Gedankenfetzen davon. Sie sammelte ihre Konzentration, streckte die Hand aus und begrüßte den Mann mit einem kräftigen Händedruck.
»Ich habe einen Termin bei Herrn Weller.«
»Wenn Sie mir bitte folgen wollen?«
Sie ging hinter ihm her durch einen blendend hellen Flur, dessen Fenster eine atemberaubende Aussicht über die Stadt boten.
Inden Büros arbeiteten Männer und Frauen, die ausnahmslos hochkonzentriert wirkten. Entweder telefonierten sie mit leiser Stimme oder waren an ultramodernen Computern beschäftigt. Über allem lag eine dezente Geschäftigkeit, manche schauten kurz hoch und nickten Anna freundlich zu. Im ganzen Geschoss war hellblauer Teppichboden ausgelegt. Die Wände schimmerten silbern, sie schienen mit dem gleichen Aluminium verkleidet zu sein wie die Fassade des Gebäudes.
»Hier hinein, bitte.«
Der junge Mann öffnete eine Tür und trat zur Seite, um Anna vorbeizulassen. Anna hatte eine Menge erwartet, aber dieses Büro übertraf ihre Vorstellungen bei weitem. Der Raum war mindestens zweihundert Quadratmeter groß. In ihm befand sich nichts außer einer niedrigen Sitzgruppe, einem unglaublich großen Schreibtisch und vier gewaltigen Gemälden an der Wand. Sie mussten echt sein, denn ein Weller würde sich niemals mit der Kopie eines Picasso, Mondrian, Twombly und Rauch zufriedengeben.
Abgesehen davon war der Raum leer.
Fragend drehte sie sich nach dem Mann um, doch der hatte das Büro gar nicht erst betreten. Sie sah nur noch, wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.
»Herr Weller?«
Sie erhielt keine Antwort. Langsam ging sie auf die breite Fensterfront zu und genoss den atemberaubenden Ausblick. Sie konnte die Ausflugsdampfer auf dem Main erkennen und das Verkehrschaos rund um den Hauptbahnhof. Wenn sie hier oben arbeiten dürfte, würde sie wahrscheinlich den ganzen Tag verträumt aus dem Fenster schauen und den Flug der Vögel und der Hubschrauber beobachten.
Vor allem einen Hubschrauber. Der, der jetzt gerade auf das Gebäude zugeflogen kam und wenige Meter vor Wellers Büro in der Luft stehen blieb. Gedämpft durch die dicken Fensterscheiben drang der Lärm der Rotoren. Im Cockpit saßen zwei Männer. Beide trugen Schutzhelme und Mikrofone. Einer machte eine Handbewegung,die man mit viel gutem Willen für einen nachlässigen Gruß halten konnte.
Anna kannte nur einen Mann, für den es ein Leichtes war, hundert Meter über der Erde mal eben Guten Tag zu sagen. Der Hubschrauber drehte ab und stieg höher. Der Lärm verriet, dass er nicht weiterflog, sondern über dem Wolkenkratzer schwebte. Wenig später wurde es wieder still. Anna wusste nicht, ob sie gehen oder bleiben sollte. Weller schien ihren Termin entweder vergessen zu haben oder nicht allzu wichtig zu nehmen.
Stimmen näherten sich, dann wurde die Tür geöffnet. Sam trat zuvorkommend einen Schritt zurück, um Weller hereinzulassen. Der bedankte sich mit einem Kopfnicken, das gleichzeitig auch der unmissverständliche Wink war, ihn mit Anna allein zu lassen.
Er trug eine braune Lederjacke, die so abgenutzt aussah, dass sie eine Menge Geld gekostet haben musste. Er zog sie aus und warf sie nachlässig über die Sofalehne. Dann drehte er sich um, lockerte mit der linken Hand seine Krawatte und streckte die rechte aus, um Anna zu begrüßen.
»Ich hoffe, du musstest nicht zu lange warten.«
Sie bemerkte sofort, dass er müde wirkte. Die kleine Falte neben seinem scharf geschwungenen Mund hatte sich noch eine Winzigkeit tiefer eingekerbt. Sie roch sein Rasierwasser und bemerkte, dass er sich am Kinn geschnitten haben musste. Wahrscheinlich war das auch nicht gerade sein Morgen gewesen. Erstaunlicherweise machte ihn der kleine Schnitt menschlicher. Ein Umstand, den Anna höchst alarmiert zur Kenntnis nahm. Wellers glatte Maske bekam Risse. Und das erhöhte seine Attraktivität noch mehr. Sie ergriff seine Hand und spürte den festen Druck seiner Finger. Am liebsten hätte sie sie nicht mehr losgelassen. Irgendetwas war passiert, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Die
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