Dämonenherz
Spannung zwischen ihnen schien wieder zuzunehmen.
»Nein«, antwortete sie. »Es ist schon okay. Die Aussicht ist sehr schön.«
Er krempelte die Ärmel seines Hemdes auf, ohne darauf zu ach ten,welche Reaktionen das Muskelspiel seiner Arme auf sie ausüben würde. Seine Haut war immer noch leicht gebräunt, und die eleganten und effizienten Bewegungen seiner Hände ließen Erinnerungen wach werden an die Momente, in denen er sie berührt hatte. Sie waren gepflegt und sorgfältig manikürt. Er strich sich die störrische Haarsträhne zurück. Dabei spannten seine Oberarme und Schultern das Hemd. Es rutschte eine Winzigkeit aus dem Bund seiner italienischen Maßhose, und Anna konnte nur mit Mühe den Impuls unterdrücken, sich an ihn zu schmiegen und langsam einen Knopf nach dem anderen zu öffnen.
Sie rief sich zu Anstand und Ordnung, was ihr in seiner Gegenwart immer schwerer fiel. Weller, der bis eben abwartend vor ihr gestanden hatte, schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln.
»Setz dich. Wir haben einiges zu besprechen.«
Er wies auf die Couchgarnitur. Anna nahm Platz. Weller ging an seinen Schreibtisch und kam mit einer Mappe zurück. Er reichte sie Anna, die sie zögernd ergriff. Auf dem Einband war der Skorpion eingeprägt. Ein tiefes Unbehagen kroch in ihr hoch. Sie strich mit der Hand über das Leder und versuchte, die Schlappe mit Sandrine am Flughafen zu verdrängen.
»Hast du gut geschlafen?«
Irritiert sah sie ihn an. »Ja, danke. Und du?«
Er nahm ihr gegenüber Platz.
»Ich hatte einen etwas anstrengenden Abend. Anna, woran erinnerst du dich?«
Das war nicht gerade die Frage, mit der Anna bei einem Gespräch über ihre berufliche Zusammenarbeit gerechnet hatte.
»Gibt es etwas, an das ich mich erinnern müsste?«
Er beugte sich vor und sah ihr tief in die Augen. So tief, dass Annas Handflächen feucht wurden und ihr Puls zu flattern begann. Verdammt. Dieser Mann hatte sie derart im Griff, dass sie nur noch wie ein aufgescheuchtes Huhn reagieren konnte.
Er nickte langsam. »Ja. Aber offenbar hast du alles vergessen.«
Sie hatten doch nicht etwa wieder …
»Nein«,sagte er. »Wir haben nicht.«
Anna atmete tief durch und genoss das Gefühl, einmal nicht ins Fettnäpfchen getreten zu sein. Sie musste einen klaren Kopf bekommen, wenn sie in diesem Haus arbeiten wollte. Alle Leute, die sie bisher gesehen hatte, sahen so aus, als ob der sündigste Gedanke für sie eine Tasse Schokolade vor dem Schlafengehen war. Genau zu dieser Art unaufgeregtem Leben wollte sie zurückkehren. Sie bedeutete Weller nichts. Er bedeutete ihr nichts. Je eher sie das begriff, umso besser. Das Beste wäre, wenn sie jetzt gleich reinen Tisch machte und die Bedingungen für eine weitere Zusammenarbeit festlegte.
»Und wir werden auch nicht mehr«, sagte sie. »Weller, wenn ich wirklich für dich arbeiten soll, dann darf das nicht mehr passieren.«
»Was?«
»Das … du weißt schon. Das Private mit dem Geschäftlichen.«
»Ich fand es interessant.«
Das Lächeln um seinen Mund vertiefte sich. Offenbar gefiel es ihm, sie in die Enge zu treiben und den Charmeur zu spielen. Es war so leicht zu vergessen, mit was für einem Menschen sie es eigentlich zu tun hatte. Weller war durchtrieben, ehrgeizig, machtbesessen, eiskalt … mitten in der Aufzählung stoppte sie.
»Interessant ist auch ein Chemiebaukasten.« Sie schlug die Beine übereinander und legte die Mappe neben sich auf die Couch. Weller nahm ihre ablehnende Körpersprache mit einem ironischen Nicken zur Kenntnis.
»Dabei hatte ich das Gefühl, gerade in puncto Chemie würde es zwischen uns stimmen.«
»Das, Herr Weller, ist ein großer Irrtum. Ich möchte mich in aller Form dafür entschuldigen, wenn ich Ihnen zu nahe getreten sein sollte. Aber es wird nie wieder vorkommen. Das verspreche ich Ihnen.«
Weller nickte erneut. »Gut. Das beruhigt mich. Ich dachte schon, es hätte dir etwas bedeutet.« Er senkte die Stimme. »Es darfdir nämlich nichts bedeuten, Anna. Nur dann kannst du für mich von Nutzen sein.«
Das wurde ja immer schöner. Merkte dieser Mann eigentlich nicht, dass er eine Beleidigung nach der anderen ausstieß?
»Du darfst dich nie in mich verlieben. Hast du das verstanden? Anna? Hörst du mir zu? Verstehst du mich?«
Anna nickte. Es kostete sie einige Anstrengung, denn offenbar hielt er sie für ein naives kleines Mädchen, das sich jedem Prinzen an den Hals warf, der sich einmal gnädig zu ihm herabgebeugt hatte.
Ein Prinz … Dornen
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