Dämonenherz
hoch, das er gerade köpfte. Filmrisse waren etwas, mit dem Friedrich Sternberg zeit seines Lebens nie etwas zu tun gehabt hatte. Deshalb ignorierte sie seinen fragenden Blick und erläuterte ihren merkwürdigen Zustand nicht genauer.
»Wann ist denn unser Besuch gegangen?«, erkundigte sie sich stattdessen.
Er führte den Löffel zum Mund und zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß es nicht. Ich bin eingenickt.«
Anna fragte nicht weiter. Mit einem unbehaglichen Gefühl trank sie ihren Kaffee und verabschiedete sich wenig später. Die ganze Fahrt über zurück in ihre Wohnung zerbrach sie sich den Kopf, was passiert sein konnte. Das Letzte, an das sie sich erinnern konnte, war ihr Gang in den Keller. Doch was sie dort gewollt hatte, vor allen Dingen aber: wie der Abend geendet hatte, war das lose Ende eines roten Fadens, dem sie bei aller Mühe nicht folgen konnte.
Ich war bitte nicht betrunken, betete sie sich ein ums andere Mal vor. Ich kann gar nicht betrunken gewesen sein. Es gibt keinen Alkohol in diesem Haus. Was ist also mit mir passiert? Wie bin ich in mein Bett gekommen? Und was war das für ein seltsamer Traum? Doch je länger sie wach war, desto tiefer sanken die merkwürdigen Bilder ins Vergessen.
Schließlich einigte sie sich mit ihrem Gewissen auf eine Lebensmittelvergiftung. Vermutlich hatte sie Weller und seinen merkwürdigenChauffeur noch nach draußen begleitet und sich dann zurückgezogen. Alle Indizien deuteten zudem darauf hin, dass sie die Nacht allein verbracht hatte. Das erklärte ihren Zustand zwar nur mangelhaft, aber es war zumindest eine Version, mit der sie einigermaßen klarkommen würde.
Von ihrer Wohnung aus versuchte sie, Vicky zu erreichen. Doch ihre Freundin ging nicht an den Apparat und war auch nicht im Büro. Noch etwas, das sie unbedingt klären musste.
Anna duschte, so kalt sie es ertragen konnte, und schlüpfte in einen marineblauen Hosenanzug, zu dem sie eine seriöse weiße Bluse wählte. Die Haare fönte sie glatt und ließ sie offen auf die Schultern fallen. Anschließend legte sie ein dezentes Make-up auf. Der Sonnenbrand verlieh ihrem Gesicht ein überraschend frisches Aussehen. Obwohl sie sich immer noch wie gerädert fühlte, sah sie passabel aus. Ganz zum Schluss ging sie in ihr Schlafzimmer zurück und öffnete die Schublade ihres Nachttisches. Aus einer kleinen Schachtel holte sie die Perlenohrstecker ihrer Mutter hervor. Sie wollte nicht nur passabel, sie wollte gut aussehen. Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel bestätigte ihr, dass es ihr wider Erwarten gelungen war. Was auch immer in dieser Nacht geschehen war, es musste sie mindestens drei Pfund Körpergewicht und eine Menge Schweiß gekostet haben. Ihre Haut war klar, die Augen strahlten, ihr ganzer Körper wirkte gestrafft, als hätte sie drei Wochen Marathon-Training hinter sich.
Und das mir, die ich so gut wie gar keinen Sport mehr treibe.
Bevor sie die Wohnung verließ, blieb sie an der Tür stehen und sah sich um. Etwas war mit ihr geschehen. Sie wusste nicht was, aber sie fühlte sich so wie an einem Geburtstagsmorgen. Etwas Geheimnisvolles lag vor ihr wie ein Geschenk, das darauf wartete, ausgepackt zu werden.
Wellers Büro befand sich in einem der höchsten Türme Frankfurts. Er musste fast vierzig Stockwerke haben und ragte wie ein Pfeil weit über die anderen Bankgebäude hinaus. Er war kom plettmit Aluminium verkleidet. Die Herbstsonne spiegelte sich in der silbernen Haut und blendete Anna, so dass sie erst beim Eintreten in das weitläufige Foyer die Sonnenbrille absetzte und ihre Augen sich an das gedämpfte Licht gewöhnen mussten.
Zielstrebig steuerte sie auf den Empfangstresen zu, stellte sich vor und erklärte, einen Termin mit Carl Weller zu haben. Die sorgfältig frisierte und geschminkte Dame auf der anderen Seite des Tresens ließ sich nicht anmerken, was sie von Anna und ihrem Begehr hielt. Sie griff zu einem Telefonhörer, sprach ein paar Worte hinein und schenkte Anna ein nicht sehr herzliches Lächeln.
»Fünfunddreißigster Stock. Sie werden abgeholt.«
Im Aufzug überprüfte Anna noch einmal den Sitz ihrer Kleider. Sie war nervös. Gleich würde sie Weller zum ersten Mal in einer geschäftlichen Situation gegenüberstehen. Ihr war nicht klar, was er von ihr erwartete und welche Aufgaben sie übernehmen sollte. Die erste Pressemitteilung, die sie für ihn verfasst hatte, war wohl ohne größere Änderungen akzeptiert worden. Anna erinnerte sich, dass sie sie ins
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