Daemonenhunger
kaum auf sein Gesicht gerieselt, da war er auch schon fest eingeschlafen.
Als Vincent erwachte, hatte er einen Brummschädel. Es dauerte einen Augenblick, bis er begriff, dass er kopfüber hing. Er schlug die Augen auf und blickte in eine dichte Baumkrone.
»Was zum …«, sagte er und verdrehte den Oberkör per, um herauszufinden, wo er gelandet war. Da es bereits dunkel war, konnte er nicht viel erkennen, stellte aber immerhin fest, dass er an einem Ast baumelte. Über dem Kopf vernahm er Stimmen, allerdings zu leise, um sie zu verstehen.
»Das sieht gar nicht gut aus«, sagte Vincent und zog kräftig an dem Seil, mit dem er gefesselt war. Es saß noch genauso fest wie zuvor. Er tastete nach Knoten, die er vielleicht heimlich lösen konnte, entdeckte jedoch keinen einzigen. Wenn es etwas heller wäre, dachte er, könnte ich nach einem Fluchtweg Ausschau halten, wer weiß.
Da traf ihn mit einem Schlag eine fürchterliche Erkenntnis. Es war dunkel, weil es mitten in der Nacht war. Er musste also schon sehr lange hier sein. Leider hatte er keine Ahnung, wie spät es war, und das beunruhigte ihn mehr als alles andere. Falls er nicht vor seinen Eltern und seinem Bruder nach Hause kam, würde alles, was die Elfen mit ihm vorhatten, ein harmloser Spaziergang sein im Vergleich zu dem Riesendonnerwetter, das ihn erwartete.
»Hilfe!«, rief Vincent. »So helft mir doch!«
»Sieh mal einer an, da ist ja jemand aufgewacht.«
Vincent erkannte Grimbowls Stimme, konnte ihn allerdings nicht ausmachen.
»Hilfe!«, wiederholte Vincent lauter. »Ich bin hier oben im Baum und … Autsch!«
Ein stechender Schmerz an seiner Wange, vermutlich ein Tritt.
»Lass das«, sagte Grimbowl. »Spar dir deinen Atem. Hier oben hört dich sowieso niemand.«
»Wieso nicht?«, fragte Vincent.
»Die Blätter an diesem Baum sind verzaubert«, erwiderte Grimbowl, und Vincent konnte undeutlich erkennen, wie der Elf eine ausholende Handbewegung machte, die alle Zweige einschloss. »So ähnlich wie das Pulver, das Optar dir ins Gesicht geblasen hat. Wir haben dich damit ins Land der Träume geschickt, die Äste schlucken dadurch alle Geräusche.«
»Ich verstehe. Sehr interessant«, gab Vincent zurück. Außerdem sehr unangenehm für mich, dachte er. »Wie lange hänge ich hier schon?«
»Ungefähr seit drei Stunden«, teilte ihm Grimbowl mit.
»Seit drei Stunden?«, empörte sich Vincent. »Lasst mich sofort runter.« Er wand sich in wilder Panik.
»Lass das«, sagte Grimbowl streng, und Vincent spür te wieder den stechenden Schmerz im Gesicht. »Du sitzt in der Falle. Die Seile sind aus verzaubertem Gras, die zerreißt du nie und nimmer.«
»Dann hör du auf, mich zu treten«, blaffte Vincent, der von dem kräftigen Tritt noch hin und her schwang. »Ich muss nach Hause, sonst stecke ich bis zum Hals in Schwierigkeiten.«
»Du steckst auch so schon bis zum Hals in Schwierigkeiten«, erwiderte Grimbowl ungerührt.
»Du hast keine Ahnung, was mir bevorsteht, wenn ich nicht rechtzeitig zu Hause auftauche.«
»Hast du denn überhaupt keine Angst davor, was wir mit dir anstellen könnten?«, fragte Grimbowl.
»Eigentlich nicht, nein«, sagte Vincent, doch das war glatt gelogen. Er hatte einfach noch keine Zeit gehabt, gründlicher über diese Frage nachzudenken. Im Augenblick benötigte er seinen gesamten Hirnschmalz dafür, sich auszumalen, was ihm alles blühte, wenn er zu spät nach Hause kam.
Obwohl er natürlich zugeben musste, vor allem jetzt, da der Elf ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, dass es auch nicht gerade ein Zuckerschlecken war, wenn einen irgendwelche phantastischen Geschöpfe, die wer weiß was vorhatten, an einem schalldichten Baum aufhängen.
»Du bist ja noch blöder, als ich gedacht habe«, stellte Grimbowl fest. »Bist du dir sicher, dass wir den Richtigen erwischt haben, Plimpton?«
»Ja«, tönte es hinter Grimbowls Rücken. »Das ist der Junge vom Schülerforum der Wissenschaften.«
Vincent hatte sich allmählich an die Dunkelheit gewöhnt und erkannte nun deutlich Grimbowls Gestalt, die sich auf einer Plattform im Baum abzeichnete. Der Sprecher löste sich aus dem Schatten und stellte sich neben Grimbowl.
»Er hat mir direkt in die Augen gesehen«, fuhr Plimpton fort. »Er muss zu den Menschen gehören, die etwas offener sind.«
»Dann ist er unser Mann«, sagte eine andere Stimme, und ein dritter Elf gesellte sich zu den beiden.
»Wer bist du?«, fragte Vincent.
Der dritte Elf klang weise und alt,
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