Daemonenhunger
Schmalz triefenden Melodrams über Menschen, denen das Triumvirat bei Anbrach der letzten Tage schnöde den Zutritt zum Himmel verweigerte. Die armen Teufel mussten sich mit Hungersnöten und Kriegen herumschlagen, und das böse Anti-Triumvirat trieb auf Erden sein Unwesen. Während die Unglücklichen auf der Leinwand verzweifelt um ihr Leben gekämpft hatten, hatte Vincent nicht minder verzweifelt dagegen angekämpft, dass ihm die Augen vor Langeweile zufielen.
Nun würde ihm wahrscheinlich keine weitere Nacht mit Schlaf mehr vergönnt sein. Zurückgelassen und die vielen grauenhaft schlechten Nachfolgefilme waren keine gute Vorbereitung auf den Weltuntergang gewesen.
»Dieses Erdbeben hätten wir gar nicht mehr erleben sollen«, sagte Grimbowl. »Der Anblick dieser furchtba ren Verwüstung ist nicht für unsere Augen bestimmt.«
»Das alles nur wegen eines einzigen bösen Mannes«, sagte Max. »Und seiner Helfershelfer«, fügte er mit ei nem Seitenblick auf Rennik hinzu.
»Ja, ziemlich mies«, sagte der. »Wenn ihr mich jetzt entschuldigen wollt.«
»Dämon, nimm den Troll«, befahl Optar. »Du begleitest uns zu Big Toms Haus und beantwortest jede unserer Fragen.«
»O nein«, grummelte der Dämon, ergriff Miss Sloam und hob sie mit sich in die Luft. »Kann dieser Tag eigentlich noch schlimmer werden?«
»Und ob«, sagte Grimbowl. »Nachdem du uns alles berichtet hast, gibt es noch einen Job für dich. Du wirst unser Versuchskaninchen sein.«
»Was soll das heißen?«, fragte Chanteuse.
»Mit seiner Hilfe werden wir herausfinden, ob Big Toms Insektenvertilgungsmittel auch gegen Dämonen wirksam ist«, erklärte der Elf.
Big Toms Haus befand sich in überraschend gutem Zustand. Natürlich waren durch das Erdbeben gewisse Schäden entstanden, und drinnen herrschte ein wüstes Durcheinander aus zerbrochenem Geschirr und umgekippten Möbeln. Die Mauern standen jedoch, wie auch in der gesamten Nachbarschaft. Klein und heruntergekommen, wie sie waren, hatte ihnen das Erdbeben wohl nicht mehr viel anhaben können.
Big Toms Eltern waren nicht da. Um über die Runden zu kommen, hatten beide jeweils zwei Jobs und waren während des Erdbebens unterwegs gewesen. Ohne Telefon gab es allerdings keine Möglichkeit, nach ihnen zu forschen. Vincent stellte erst jetzt fest, dass das Gleiche für seine Eltern galt. Selbst Barnaby war den Tränen na he, als er an das ungewisse Schicksal seines Vaters dachte.
Sie richteten sich im Keller des Hauses ein. Grimbowl bewachte Rennik, dem sie bei ihrer Ankunft strikt befoh len hatten, sich nicht von der Stelle zu rühren. Optar hat te sich vor dem Dämon aufgebaut und nahm ihn ins Kreuzverhör. Er wollte alles über Alphega wissen, und Rennik stand ihm Rede und Antwort, wobei sein Blick ein ums andere Mal furchtsam zu einer Ecke des Kellers schweif te, in der sich ein Stapel Kisten türmte.
Einige Schachteln waren heruntergefallen, und der Inhalt war über den Boden gerollt: Dosen mit Insektenvertilgungsmittel. Sie hatten das Erdbeben offenbar unbeschadet überstanden.
Miss Sloam kümmerte sich derweil um die Feen, die sie auf eine schmale, schmuddelige Matratze legte – Big Toms Bett, wie sich später herausstellte. Vincent, Big Tom und Barnaby hatten sich ebenfalls auf der Matratze niedergelassen und verfolgten das Verhör. Rennik erzähl te eine Menge wirres Zeug, aus dem die Jungen nicht recht schlau wurden. Den Elfen schien es jedoch vollkommen einzuleuchten.
Nach einer Weile bemerkte Vincent, dass Chanteuse und Max sich gar nicht im Keller befanden. Als er ein Geräusch aus dem Erdgeschoss vernahm, stieg er hinauf, um nachzuforschen.
Auf halber Strecke saß Max auf der Treppe, völlig vertieft in ein Buch. Vincent traute seinen Augen kaum, als er den Titel las: Das Buch der Geschöpfe – Gefängnisse und Poltergeister . Ausgerechnet wegen dieses Bandes, es handelte sich um das ausführliche Handbuch zu dem Rollenspiel Gefängnisse und Poltergeister , hatte Max ihm und Big Tom einmal eine endlos lange Gardinenpredigt gehalten.
Vincent und sein bester Freund hatten das Spiel nie ausprobiert, zum einen, weil das Triumvirat Computerspiele untersagte, und zum anderen, weil Big Tom nicht das nötige Kleingeld hatte, um derartige Sachen zu kaufen. Sein Cousin, der die Bücher loswerden wollte, hatte ihm die Bände irgendwann mal zum Geburtstag geschenkt. Big Tom hatte das Buch zu Vincent mitgenommen, und als Max die
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