Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
Miene zum Dauerzustand gewordener Verlegenheit. Nachdem ihr als Kind ein Platz in der Schwesternschaft verweigert worden war, geriet Crisabelle jetzt, da man ihre Schwiegermutter zur Ersten Schwester erwählt hatte, aus Häme schier um alle Vernunft.
Das Hauptportal des Kleinen Saals flog auf, und herein kam, gefolgt von Mahina, Meister Draco, Kämpe der Ersten Schwester. Draco war ein düster-ernster Mann.
In R'shiels Augen verkörperte er geradezu das Amt des Kämpen; hingegen fiel es ihr schwer, Mahina als Erste Schwester anzuerkennen. Selbst in dem weißen Kleid und dem mit Perlen besetzten Mieder hatte sie mehr äußerliche Ähnlichkeit mit einem Bauernweib als einer Autokratin. Mit einem mütterlichen Wink dankte Mahina für die Verneigungen und Knickse ihrer Untergebenen, ehe sie sich schnurstracks zu Frohinia, dem Gesandten Pieter und Jacomina gesellte.
»Eure Hoheit, Frohinia ... Meinen Glückwunsch zu deiner Beförderung, Jacomina. Deine Mitwirkung im Quorum wird uns eine Ehre sein.«
Jacomina gab eine geistlose Antwort, die R'shiel nur zum Teil verstand. Inzwischen war es ihr gelungen, sich allmählich aus dem Kreis der Leute zu entfernen, der sich um ihre Mutter geschart hatte, und den hohen Buntglastüren zum Rundgang zu nähern, die man geöffnet hatte, um die laue Abendluft genießen zu können. Gerade überlegte sie, wie gut wohl ihre Aussicht sein mochte, unbemerkt hinauszuhuschen und sich der Feier vollends zu entziehen, da wurde die Tür aufgeschwungen, und in Begleitung einiger Hauptleute trat der Oberste Reichshüter Jenga ein.
Als die Männer in den Saal schritten, erkannte R'shiel unter den Hauptleuten, die den Reichshüter umgaben, voller Verblüffung und Freude ihren Bruder. Plötzlich richteten sich im Saal sämtliche Augen auf ihn und Jenga. Sie strebten ohne Umschweife auf die Erste Schwester zu. Die älteren Seminaristinnen verharrten im Bedienen und starrten Tarja unverhohlen an. Alle übrigen Anwesenden schnappten im ersten Augenblick nach
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Luft; dann schauten sie hastig fort. Fast glaubte R'shiel zu sehen, wie sie die Ohren spitzten, um den Wortwechsel aufzuschnappen, der nun folgen musste.
Tarjanian war vor über vier Jahren an die Grenze verbannt worden. Die Gründe hatte R'shiel nie begriffen. Als man ihn fortgeschickt hatte, hatte Frohinia ihr in kaltem, hartem Ton lediglich erklärt, er habe die Erste Schwester beleidigt.
Aber nach der Entgeisterung geurteilt, die man jetzt in vielen Augen sah, musste er Schlimmeres angestellt haben, als sie bloß zu kränken.
Selbst Mahina, die R'shiels Bruder stets gern gehabt hatte, erweckte den Eindruck, dass sein Auftauchen sie regelrecht verstörte. Daher hatte wohl nicht sie ihn zurückgerufen. R'shiel fragte sich, ob vielleicht ihre an Jenga gerichtete Bitte die Ursache für Tarjanians Rückholung sein mochte, gelangte jedoch zu der Einsicht, dass es so nicht sein könne. Jenga zählte nicht zu dem Schlag Männer, deren Wille sich durch ein Lächeln und inständiges Flehen beirren ließ.
»Euer Gnaden ...« Reichshüter Jenga verbeugte sich vor der Ersten Schwester. »Eure Hoheit ... Ehrenwerte Schwestern ...«
»Seid gegrüßt, Reichshüter«, antwortete Mahina. Unverzüglich wandte sie sich Tarjanian zu und maß ihn langen Blicks. Von der Seite schielte R'shiel ihre Mutter an: Deren wütende Miene überraschte sie nicht im Mindesten. Es freute Frohinia ganz und gar nicht, ihren Sohn wieder zu sehen.
»Willkommen daheim, Tarjanian«, sagte Mahina.
»Meinen Dank, Euer Gnaden.« Tarjanian verneigte sich vor der Ersten Schwester, dann drehte er sich Frohinia zu. »Sei mir gegrüßt, Mutter.«
»Mir war nicht bekannt, dass du zurückbefohlen wurdest, Tarjanian«, teilte sie ihm in kühlem Tonfall mit. »Ich baue darauf, dass die Zeit an der Grenze dich etwas Nützliches gelehrt hat.«
»Mehr als du dir vorstellen kannst, Mutter«, beteuerte Tarjanian. Da erblickte er R'shiel und machte aus Verblüffung große Augen.
»Das ist Euer Sohn, Schwester?«, vergewisserte Gesandter Pieter sich bei Frohinia, während er Tarjanian betrachtete. »Ihr habt ihn nie erwähnt.«
An Frohinias Gesichtsausdruck änderte sich nichts. »Tarjanian hat in den vergangenen vier Jahren an der Südgrenze im Kampf gestanden.«
»Hythrier ausgetilgt, hm?« Pieter lachte vor sich hin. »Ein lobenswertes Tun, Hauptmann. Wie viele von ihnen habt Ihr zur Strecke gebracht?«
»Mehr als ich zählen konnte«, versetzte Tarjanian schlagfertig. »Aber wenn
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