Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
Anscheinend erachtete er es als überflüssig, ihm den Umgang mit anderen Gefangenen zu verbieten.
Zu Tarjanians eigener Verwunderung maßen die Rebellen ihm dieses Mal keine Verantwortung für ihr gegenwärtiges Los zu. Natürlich fiel es erheblich leichter, die Schuld einer arglistigen Court'esa zuzuweisen. So spürte Harven wohl, dass Tarjanian in keiner unmittelbaren Gefahr schwebte, und darum hatte er den Rest der Nacht im Gespräch mit Ghari, Wylbir und den übrigen Rebellen-Unterführern verbringen dürfen. Die Rebellen kümmerten sich weniger um Vergangenes und viel mehr um die Frage, was die Zukunft für sie bereithalten mochte.
Tarjanian rechnete damit, dem Henkersstrick diesmal nicht entrinnen zu können. Zu häufig hatte er gegen Frohinia und die Schwesternschaft gefrevelt. In Bezug auf das bevorstehende Geschick seiner Leidensgenossen sah er nicht ganz so schwarz. Mehrheitlich ließ sich den Festgenommenen im Wesentlichen nichts Schlimmeres vorwerfen, als nach Anbruch der Dunkelheit in einer Gasse Testras mit bäuerlichem Werkzeug angetroffen worden zu sein. Schwerlich war daraus der Vorwurf der Rebellion abzuleiten und ihnen ein Strick zu drehen.
Mahina kam voraussichtlich, überlegte Tarjanian, mit einer Verwarnung davon. Nicht einmal Frohinia konnte es sich leisten, eine ehemalige Erste Schwester aufhängen zu lassen. Damit schüfe sie ein gefährliches Vorbild. Viel ernstere Sorge plagte Tarjanian um R'shiel. Sie nämlich galt als entlarvte Harshini.
Tarjanian rappelte sich vom Boden auf, während sie auf ihn zulief. Zwei Tage lang hatte er nicht geschlafen, aber ihr Anblick - obgleich sie noch die verwünschte harshinische Reitkluft trug - sowie die Tatsache, dass sie wohlauf war und am Leben, verscheuchte die Übermüdung, die auf ihm lastete.
»Ich fürchtete schon, dich niemals wieder zu sehen«, sagte sie und schloss ihn fest in die Arme. »Mir sind einige Fragen gestellt worden, sonst ist nichts geschehen.«
»Ähnlich ist es auch mir ergangen. Es wird sich noch alles zum Guten wenden.«
R'shiel blickte ihm in die Augen; zweifellos durchschaute sie die Lüge. »Frohinia ist da. Während ich in dieses Lager gebracht wurde, habe ich eine Kutsche zum Hafen rollen sehen.«
»Dann brauchen wir nicht mehr lange zu warten.«
Als hätte Tarjanian ein Stichwort gegeben, öffnete sich geräuschvoll das Tor des Pferchs. Eine volle Kompanie Hüter stapfte herein und stellte sich auf zu einem Halbkreis aus roten Waffenröcken und schimmernder Wehr.
Tarjanian küsste R'shiel. Es mochte sein, dass sie jetzt dazu die letzte Gelegenheit hatten. Sie bog den Kopf nach hinten und sah ihm ins Gesicht. In ihren Augen konnte er alles lesen, was sie lieber in Worte gefasst hätte; was ihm zu sagen ihr nun nicht mehr gestattet werden sollte. Als die letzten Hüter das Gefangenenlager betraten, erschien auch, begleitet von Hochmeister Jenga und Meister Draco, die Erste Schwester Frohinia Tenragan.
Tarjanian und R'shiel nahmen sich bei der Hand und gingen der Ersten Schwester entgegen.
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Die Erste Schwester erspähte sie, kaum dass sie die Schwelle des Gefangenenlagers überschritt. Jenga blieb an ihrer Seite. Wahrscheinlich hatte er sie während der Fahrt vom Hafen zum Lager in alles Wissenswerte eingeweiht. Meister Draco, der sich knapp hinter ihr hielt, benahm sich so schweigsam und in sich gekehrt, wie man es seit eh und je von ihm kannte. Er gab Tarjanian Anlass zur Sorge.
War er überhaupt fähig zu Einwänden gegen Frohinias Willen? Es war überaus schwierig, dies bei Draco ergründen zu wollen.
Frohinia warf Tarjanian einen bösen Blick zu und schaute dann R'shiel an. Da man nun über ihre wahre Herkunft Bescheid wusste, ließ sich ihre harshinische Abstammung kaum übersehen. Die Erste Schwester erübrigte einen flüchtigen Blick für die Rebellen, die sich langsam - stumm und erwartungsvoll - hinter Tarjanian sammelten, und sann vermutlich darüber nach, was sie tun könnte, um ihn in seinem Ansehen herabzusetzen. Ihre insgeheime Not flößte ihm ein gewisses Maß an Befriedigung ein.
»So tief seid ihr also gesunken?«, fragte Frohinia in bissigem Tonfall, als er und R'shiel, noch immer Hand in Hand, vor ihr verharrten. »Offenbar schreckt ihr nicht einmal vor verwerflicher Geschwisterliebe zurück.«
»Diesen Holzweg würde ich an deiner Stelle meiden, Frohinia«, empfahl Tarjanian. »Wenn R'shiel meine Schwester wäre, aber gleichzeitig ihr Vater ein Harshini war, was müsstest dann du
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