Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
geblieben und in meiner Obhut. Die restlichen Kinder befinden sich aus ganz ähnlichen Gründen bei mir. Ich bin zu der Zeit Schwester gewesen. Am Tag nach der Vernichtung Heimbachs habe ich bei allen Hauptgöttern geschworen, nie wieder das Blau der Schwesternschaft zu tragen.«
»Vernichtet?«, fragte Tarjanian fassungslos. »Warum?«
»Du weißt es nicht?«
»Müsste ich es wissen?«
»Sie hat das Dorf brandschatzen lassen, um ein Geheimnis zu wahren, Hauptmann. Das Dorf musste in Flammen untergehen, um ihre Spuren zu verwischen und ihre Lügen zu verheimlichen.« Die Frau stieß ein abgehacktes, bitteres Auflachen aus. »Wenn ich deine Miene sehe, muss ich den traurigen Rückschluss ziehen, dass sie Erfolg gehabt hat. Du hast wirklich keine Ahnung?«
Tarjanian schüttelte den Kopf, ehe er den Blick auf Davydds Gesicht heftete; der junge Fähnrich jedoch wirkte ebenfalls völlig ratlos.
Sehnsüchtig betrachtete die Frau die ausgepackte Verpflegung; dann gab sie einen Seufzer von sich. »Eigentlich sollte es mich fürwahr nicht wundern. Und mein Zorn darf sich nicht zwischen die Kinder und ein anständiges Mahl drängen. Ich nehme an, was du uns an Vorräten bietest, Hauptmann. Ich bewerte es als geringe Entschädigung für die Handlungen deiner Mutter.«
»Wir überlassen euch gern, was wir abgeben können«, versicherte Tarjanian ihr, »aber ich möchte wirklich wissen: Welchen Grund könnte Frohinia gehabt haben, um ein Dorf in den Heiligen Bergen niederbrennen zu lassen?«
Eine Weile forschte die Frau in seiner Miene, als überlegte sie, wie viel sie ihm erzählen sollte, dann hob sie die Schultern. »Ich denke mir, du hast ein Recht darauf, es zu erfahren. Wind kommt auf, also kehre mit deinen Männern bei uns ein, und du sollst die ganze Geschichte hören.«
Sie suchten erneut den verfallenen Saal auf und nahmen am Kamin auf dem Fußboden Platz. Das Feuer spendete wenig Wärme, aber darauf achtete Tarjanian gar nicht.
»Vor neunzehn Jahren war deine Mutter, geradeso wie ich, in Testra tätig; sie war zeitweise stellvertretende Verwalterin der Ortschaft sowie der benachbarten Dörfer. Wie du weißt, hat die Schwesternschaft des Schwertes die fähigsten Verwalterinnen der Welt.«
Bereth, so lautete der Name der Frau, hatte die meisten Kinder nach draußen geschickt, damit sie beim Hereinschaffen der Verpflegung halfen, die ihnen die Hüter zu überlassen beabsichtigten. Nur das Kind mit dem fürchterlichen Husten war bei ihr geblieben. Das Mädchen war auf Bereths Schoß gekrochen und beobachtete die Hüter aus geweiteten, bangen Augen.
Es kostete Tarjanian Überwindung, den Blick von dem bedauernswerten Kind abzuwenden. Stattdessen sah er Bereth an. »Ich entsinne mich. Sie hat mich damals bei den Kadetten angemeldet und allein in der Zitadelle gelassen. Ich war erst zehn Jährchen alt.«
Bereth nickte. »Frohinia genoss schon einen gewissen Ruf, als sie in Testra anlangte. Sie hatte einen Sohn, nämlich dich, und Gerüchte besagten, dein Vater wäre Hochmeister Korgan, doch hat er es unbeirrt geleugnet. Vier oder fünf Monate nach Frohinias Eintreffen starb meine Mutter, und ich musste nach Breitungen reisen, um die Angelegenheiten meiner Familie zu ordnen. Frohinia erklärte sich freiwillig bereit dazu, meine Pflichten zu übernehmen, die ein regelmäßiges Überwachen der umliegenden Dörfer umfassten. Diese Bereitwilligkeit hielten wir damals dort alle für merkwürdig, weil sie für gewöhnlich Unbilden und Kälte stark scheute. In der Jahreszeit die Runde durch die Umgebung zu machen, das hieß, bis zum Frühlingstauwetter in Bergdörfern überwintern zu müssen. Doch schon damals trieb sie ja der Ehrgeiz an, eines Tages ins Quorum aufzusteigen, und es drängte sich sonst niemand danach, die Vertretung zu übernehmen; also fielen meine Obliegenheiten ihr zu.«
Das Kind auf ihrem Schoß geriet von neuem ins Husten, sodass Bereth ihre Darlegungen unterbrach, um der Kleinen den Rücken zu reiben. Sobald der Hustenanfall ausgestanden war, fuhr Bereth fort.
»Als ich nach Testra zurückkehrte, war es Frühling, und Frohinia befand sich auf dem Rückweg aus den Bergen. Sie hatte in Heimbach überwintert, einem entlegenen Dörfchen, in dem hauptsächlich Holzfäller und Pelzjäger wohnten, bis zum letzten Mann anständige, schwer arbeitende Leute ...« Bereths Stimme verklang; für einige Augenblicke schwieg sie, als hinge sie Erinnerungen nach. Dann schaute sie Tarjanian voller Verbitterung an.
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