Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
beschlossen, dass ein kleiner Umweg kein Unheil anrichten konnte. Schon von fern sah er der Ruine an, dass sie für Kriegszwecke keinerlei Wert mehr hatte.
Noch trennte ein gewisser Abstand die Reiter vom Kastell, da zügelte Tarjanian sein Ross. Neben dem kaum noch erkennbaren Trampelpfad, der zu dem Bauwerk führte, gab es fünf einzelne, anscheinend erst vor kurzem aufgeworfene Erdhügel zu sehen, auf denen verwelkte Wiesenblumen lagen.
Tarjanian saß ab, und Davydd Schneider, der Fähnrich, den Garet Warner ihm zugeteilt hatte, tat das Gleiche. Davydd war ein junger, aber ernster Mann mit braunem Haar. Mittlerweile wusste Tarjanian seine stille Gegenwart zu schätzen. Der Fähnrich äußerte nur selten eine Meinung, aber wenn es geschah, hatte sie Hand und Fuß. Er zog, während er die Erdhügel betrachtete, eine leicht strenge Miene.
»Das sind Heidengräber«, stellte er fest, während er am nächstgelegenen Erdhügel in die Hocke ging.
»Und zu klein, um für Erwachsene zu sein«, sagte Tarjanian und spähte hinüber zu dem baufälligen Kastell.
»Wieso hat man die Toten wohl in dieser Einöde bestattet?«
»Besser hier als in der Nähe einer Stadt. Vielleicht hat man geglaubt, dass sie in dieser unbewohnten Gegend niemand findet.«
Davydd richtete sich auf und lenkte den Blick in die gleiche Richtung wie Tarjanian. »Oder kann es sein, dass das Kastell gar nicht leer steht?«
»Darüber Klarheit zu erlangen wird nicht schwierig sein.«
Davydd nickte und schwang sich wieder in den Sattel. Auch Tarjanian stieg zurück aufs Pferd und winkte die vier Reiter heran, die sie begleiteten. Während sie in Zweierreihen mit Tarjanian und dem Fähnrich an der Spitze zum Grenzkastell ritten, achteten sie darauf, kein Verhalten zu zeigen, das als Bedrohung empfunden werden könnte; allerdings müssten Heiden, falls welche sich in dem Bau versteckten, zweifellos schon durch den Anblick ihrer Waffenröcke in Schrecken geraten.
»Soeben fällt mir ein«, äußerte plötzlich Davydd, »dass unsere roten Waffenröcke gegen das braune Gras ein vorzügliches Ziel abgeben.«
Tarjanian sah Davydd an und lachte. »Ich sollte Euch mit einem gewissen Hauptmann Gawn bekannt machen, der gegenwärtig im Süden Grenzschutzdienst leistet. Er könnte Euch aus eigener Erfahrung schildern, wie gefährlich es ist, sich in rotem Waffenrock in brauner Umgebung herumzutreiben, wenn feindliche Schützen nahebei sind. Aber in diesem Fall ist die Gefahr, glaube ich, recht gering.«
»Es sei denn, die Heiden, falls welche im Kastell hausen, sind Anhänger Zegarnalds.«
»Anbeter Zegarnalds trifft man viel wahrscheinlicher im Süden an. Es hat wenig Sinn, dem Kriegsgott hier mitten in der Wildnis zu huldigen, wo man kaum einen Gegner findet.«
Während sie sich dem Kastell näherten, sah Tarjanian tatsächlich Anzeichen menschlicher Bewohnung. An der Westseite der Ruine war ein kleiner Acker angelegt und bepflanzt worden. Aus sorgsam aufgeschichteten Steinen des eingestürzten Gemäuers war ein grober Pferch geschaffen worden, in dem eine magere Milchkuh und mehrere ungeschorene Schafe standen. Ein schwacher Geruch von schwelendem Mist drang an Tarjanians Nase. In der baumlosen Ebene ließ sich als Brennstoff kein Holz schlagen.
Die Reiter zogen an dem Pferch entlang und bogen in einen mit Schutt übersäten Vorhof ein, in dem zwar ein Kupferkessel über einem Feuer hing, doch niemand sich aufhielt. Nirgends ließ sich ein Mensch blicken.
Sie hielten an und warteten, ob sich jemand zeigte. Ein Weilchen verstrich. Nicht einmal ein Lüftchen regte sich. Der scharfe Geruch der brennenden Mistfladen juckte Tarjanian in der Nase.
Er wandte sich im Sattel hin und her und lugte nach verschiedenen Seiten. »Zeigt euch«, rief er.
In der Kastellruine und ringsum blieb es still, nur Leder knarrte, während die Pferde die Köpfe drehten, als wunderten sie sich über diese seltsame Stätte ebenso sehr wie ihre Reiter.
»Wir wollen euch nichts antun.«
Stumm fügten sie sich noch ein Weilchen lang ins Warten. Schließlich kam hinter einer eingebrochenen Mauer, die vermutlich zum Haupthaus des Kastells gehört hatte, eine Gestalt zum Vorschein: eine dürre Frau jenseits der Lebensmitte, die raue Bauerntracht am Leib hatte und an der Hüfte ein Kleinkind trug. Wachsam beobachtete sie die Hüter und hielt sich dicht an der Mauer.
»Wenn ihr uns fürwahr nichts anzutun gedenkt, dann reitet frohen Sinns eures Weges«, sagte sie. Ihre Ausdrucksweise
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