Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
»aber zu verbreiten, es sei der eigene Nachwuchs, und die Vaterschaft dem Obersten Reichshüter zuzuschreiben, ist dreister Schwindel.« Versonnen betrachtete sie Tarjanian. »Inzwischen muss das Kind fast erwachsen sein.«
Tarjanian nickte. »Sie ist Seminaristin in der Zitadelle.«
Bereth schüttelte darüber den Kopf. »Also hat Frohinia eine Nachfolgerin, die einmal in ihre Fußstapfen treten kann, und ich sitze hier mit einer Horde hungriger Waisen, deren Eltern sterben mussten, damit ihr Geheimnis nicht enthüllt wird. Dabei hätte sich die Mehrzahl der Heimbacher gar nicht mehr an das Kind erinnert. Das war ihre schlimmste Schandtat, Hauptmann. Es war so überflüssig ...« Auf ihrem Schoß war das Kind in unruhigen Schlummer gesunken. Zerstreut streichelte Bereth das feine Haar des Mädchens, ehe sie Tarjanian von neuem anblickte. »Ich bedaure es, dass ich es bin, der dich darin einweihen musste, Hauptmann. Ich nehme an, du stehst dieser jungen Seminaristin durchaus nah, wenngleich ich vermute, dass sie, falls es Frohinia gelungen ist, sie nach ihren Vorstellungen zu beeinflussen, wenig liebenswert sein dürfte.«
Nun schüttelte Tarjanian den Kopf. »Frohinia versucht es; bislang aber hat sie keinen vollen Erfolg zu verzeichnen.«
»Zumindest das ist eine erfreuliche Neuigkeit.« Bereth seufzte. »Doch vielleicht kannst du jetzt verstehen, Hauptmann, warum ich so feindselig war, als ich hörte, wer du bist.«
Am späteren Abend erstieg Tarjanian den wackligen Turm des alten Kastells und schaute über die dunkle Ebene aus. Die Wolkendecke löste sich auf, da und dort zeigten sich samtblaue, mit Sternengefunkel gesprenkelte Flecken des Nachthimmels. Er stützte sich auf den kalten Stein und achtete nicht auf den eisigen Wind, der ihn umwinselte, sondern grübelte an der Frage, was er mit dem Wissen, das er von Bereth gewonnen hatte, anfangen sollte.
Aber hing die Antwort eigentlich von ihm allein ab? Davydd Schneider hatte die ganze Geschichte mit angehört, und es stand zu erwarten, dass er sie ohne jedes Zögern Garet Warner erzählte. Solches Wissen über ein Quorum-Mitglied war zu bedeutsam, als dass er es für sich hätte behalten dürfen. Tarjanian sah ein, dass er darauf hätte bestehen sollen, unter vier Augen mit Bereth zu sprechen. Dahin wäre es gekommen, hätte er nur die allergeringste Ahnung gehabt, was ihm offenbart werden sollte.
Die Folgen, die sich für Frohinia ergaben, falls ihr Betrug aufflog, waren Tarjanian einerlei. Falls die Erste Schwester über sie eine Strafe verhängte, hätte sie es verdient, und je schwerer die Bestrafung wäre, umso besser. Ein Ausschluss aus dem Quorum musste die mindeste Maßnahme sein. Vielleicht wurde sie sogar zum Rückzug aus der Öffentlichkeit gezwungen. Diese möglichen Aussichten erfüllten Tarjanian mit wilder Schadenfreude. Frohinias Pläne zunichte gemacht zu sehen - ähnlich wie die Zeit über dieses Kastell hinweggegangen war - empfand er als beinahe hoffnungsfrohe Vorstellung.
Beinahe.
Es galt auf R'shiel Rücksicht zu nehmen. Frohinias Sturz hätte auch ihren Niedergang zur Folge. Sie hatte es verdient, die Wahrheit zu erfahren, aber verdiente sie es auch, unter den Auswirkungen leiden zu müssen?
Als er auf der Treppe Stiefel scharren hörte, wandte sich Tarjanian um. Die letzten beiden Stufen nahm Davydd mit einem Schritt. Er gesellte sich zu Tarjanian auf den Söller, ließ kurz den Blick über die Steppe schweifen und schlang schützend die Arme um den Leib.
»Wie's aussieht, regnet es doch nicht«, bemerkte der junge Fähnrich.
»Anscheinend habt Ihr Recht.« Tarjanian wartete auf Davydds nächste Worte; der Fähnrich hatte bestimmt nicht den Turm erklommen, um über das Wetter zu plaudern.
»Ich muss Obrist Warner Meldung erstatten«, sagte Davydd schließlich und brach dadurch das von Unbehagen gekennzeichnete Schweigen. »Zu verschweigen, was mir heute zur Kenntnis gelangt ist, wäre Verrat.«
»Verrat?«, wiederholte Tarjanian.
»Es mag sein, dass der Obrist keinen ...«, setzte Davydd zu einer Antwort an, aber unterbrach sich mitten im Satz. Sowohl ihm wie auch Tarjanian war vollständig klar, dass Garet Warner so unzweifelhaft, wie Davydd ihm sein Wissen mitteilen musste, von der Meldung Gebrauch gegen Frohinia machen würde.
»Doch. Und trotzdem muss er die Wahrheit wissen. Und ebenso R'shiel, um deren künftiges Los ich mir mehr Sorgen mache als um die Zukunft meiner Mutter. Was sie angeht, trifft es keine
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