Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
»Frohinia kam mit einem Kind nach Testra zurück. Einem wenige Wochen alten Säugling, von dem sie angab, es sei ihr und Jengas Kind. Aber wer Jenga kannte, bezweifelte ihre Aussage. Er ist nie ein Mann lockerer Frauenbekanntschaften gewesen, und am wenigsten ließe er sich mit einem so ehrgeizigen Weib wie deiner Mutter ein. Außerdem hatte man ihr vor der Abreise in die Berge keinerlei Anzeichen einer Schwangerschaft angemerkt. Sie hatte nicht einmal die Schwangere gespielt. Dem Gerede nach hatte sie sich mit vielen Liebhabern abgegeben. Das Kind nannte sie Rochelle. Oder ähnlich.«
»R'shiel«, berichtigte Tarjanian ganz leise, weil er befürchtete, Bereth könne, falls er zu laut sprach, das Erzählen abbrechen.
»R'shiel«, wiederholte Bereth, als hätte der Name eine besondere Bedeutung. »Nebenbei erwähnt, das ist ein in den Bergen üblicher Name, kein Name, den man einem Kind in der Zitadelle gibt. Auf alle Fälle kehrte Frohinia aus den Bergen zurück und behauptete, schwanger gewesen zu sein, und das Kind war im passenden Alter, also ließ man es dabei bewenden. Jenga hat das Kind nie öffentlich anerkannt, aber sein Schweigen, so hatte ich den Eindruck, galt für die meisten Menschen als ausreichende Bestätigung. Warum er nie dazu klärende Stellung bezogen hat, ist mir bis heute unverständlich. Ich selbst widmete mich wieder meinen Aufgaben und dachte über die Sache kaum noch nach. Heimbach lag wirklich weitab, ich habe es damals nur rund alle zwei Jahre geschafft, es zu besuchen. Als ich das Dorf dann das nächste Mal aufsuchte, lag mit der Gedanke längst völlig fern, mich nach Frohinias Besuch oder dem Kind zu erkundigen.«
»Du hast gesagt, der Ort wäre vor drei Jahren gebrandschatzt worden«, stellte Tarjanian fest. »Was ist geschehen?«
»Einen Großteil der Vorgeschichte habe ich von einer Heimbacherin erfahren, einer Kürschnerin namens B'thrim Schneeweiß. Sie hatte als Witwe schon viele Jahre allein gelebt, nämlich seit ihre jüngere Schwester J'nel in dem Jahr, als sich Frohinia in Heimbach aufhielt, zu Tode kam. Den Rest kenne ich von Überlebenden, zumeist größeren Kindern. Acht Monate vor der Zerstörung des Dorfs hatte B'thrim einen Unfall. Sie trat in eine eigene Falle und verlor durch Erfrieren einen Fuß. Infolgedessen konnte sie keine Schneefüchse mehr fangen, und schon das Vorjahr war für sie ungünstig verlaufen. Sie stand am Rande der gänzlichen Verarmung. Als ich das letzte Mal mit ihr sprach, erwähnte sie, sie habe Frohinia einen Brief in die Zitadelle gesandt und sie - als Gegenleistung für eine vor Jahren erwiesene Gefälligkeit - um Hilfe gebeten. Frohinias Antwort bestand daraus, eine Compagnie Hüter zu schicken und die Ortschaft niederbrennen zu lassen. Zu den ersten Todesopfern zählte B'thrim.«
»Was für eine Gefälligkeit?«, fragte Tarjanian. Bereth hatte viel erzählt, aber in Wirklichkeit wenig erklärt.
»B'thrims Schwester J'nel war im Kindbett gestorben, Hauptmann. Sie starb, als sie das Kind gebar, das du heute für deine Schwester hältst.«
Entgeistert starrte Tarjanian der Frau ins Gesicht.
»Wer also ist sie?«, fragte Davydd und sprach aus, was Tarjanian vorerst nicht über die Lippen brachte.
»R'shiel? Das Kind eines ungebildeten Bergmädchens und eines unbekannten Vaters, möchte ich sagen. Wie ich erfuhr, war J'nel zu Frühlingsanfang in den Bergen verschwunden gewesen und kurz vor Winteranbruch hochschwanger heimgekehrt. Sie war völlig außer sich vor Furcht gewesen, geradezu rasend, über und über bedeckt mit geronnenem Blut, aber weigerte sich, den Namen des Vaters zu nennen. Heimbachs Bewohner waren ein abergläubisches Völkchen, und obgleich sie Lippenbekenntnisse zu den Gesetzen der Schwesternschaft ablegen, gab es unter ihnen viele, die glaubten, dass in den Heiligen Bergen noch Harshini lebten. Da sich im ganzen Dorf kein Mann als Erzeuger zu dem Kind bekannte, entstand die Auffassung, es müsse die Brut eines Zauberers sein, und man lehnte es allgemein ab. Frohinia war es gänzlich einerlei, was die Dörfler dachten. Für ihre betrügerische Absicht hatte das Kind das richtige Alter, und niemand sonst wollte es haben. Nun musste bloß noch Jenga ihr Spiel mitmachen. Wahrscheinlich unterstellte sie, dass die Dorfbewohner das Kind nach einer Weile vergaßen.«
»Bis B'thrim einen Brief mit einem Hilfegesuch schickte«, sagte Tarjanian.
»Ein verstoßenes Kind bei sich aufzunehmen ist etwas Harmloses«, meinte Bereth,
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