Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
nicht.
Sie entdeckten Tejay Löwenklau in der Morgendämmerung. Da sie auf dem Rücken des Flugdrachen einen sehr weit reichenden Überblick der Landschaft genoss, erspähte R’shiel bald die niedergebrannten Feuer ihres Nachtlagers. Das Lager war in einer Ebene etwa dreißig Landmeilen von Groenhavn entfernt aufgeschlagen worden. Auch Dranymir sah es und schwang sich mit so rasendem Schwung hinab, dass R’shiel beinahe den Halt verlor.
Mitten auf dem Lagerplatz setzte der Drache den Fuß wieder auf die Erde, schreckte die Hythrier auf und verwüstete etliche ihrer Feuerstellen. Unverzüglich kam Tejay Löwenklau aus ihrem Zelt zum Vorschein. Sie hielt ein langes Schwert in den Händen, von dem R’shiel anzweifelte, dass, obwohl die Kriegsherrin des Morgenlicht-Gaus von hohem Wuchs war und kräftige Arme hatte, diese es auch führen konnte. Dennoch war sie mit ihrem üppigen blonden Haar eine Frau von vortrefflichem Aussehen. Ihr folgte ein Bursche von vielleicht fünfzehn Lenzen ins Freie, der die Hand eines kleinen Mädchens hielt, das sich schläfrig die Augen rieb.
»Wer bist du?«, wandte Tejay Löwenklau sich in streitbarem Tonfall an R’shiel.
»Mein Name lautet R’shiel té Ortyn. Ich bin das Dämonenkind.«
Kurz musterte Tejay sie, dann hob sie die Hand, um ihre merklich beunruhigten Krieger zurückzuhalten, die inzwischen in feindseliger Haltung näher rückten. »Das Dämonenkind? Ha! Der Dämonenspross ist nur ein Ammenmärchen, um ungezogene Bälger einzuschüchtern.«
»Es übt auch auf ausgewachsene Kerle seine Wirkung aus«, antwortete R’shiel, ließ den Blick durchs Rund der Männer schweifen, von denen nicht wenige den Drachen voll unverhohlenem Grauen anstarrten.
Tejay bohrte das Schwert vor sich in den Boden und betrachtete R’shiel noch einige Herzschläge lang, ehe sie den Blick auf den Drachen heftete. »Wohl oder übel muss ich Euch denn Glauben schenken, da Ihr auf dem Rücken eines Drachen eintrefft.«
»Es geschieht, weil ich der Meinung bin, es könnte mir einiges an Erklärungen ersparen.«
»Dann täuscht Ihr Euch gründlich, Dämonenkind. Niemand betritt mein Lager auf solche Weise, ohne es erklären zu müssen.«
»Ich komme im Namen Damin Wulfsklings. Cyrus Aarspeer erhebt Anspruch auf den Großfürstenthron.«
»Davon bin ich keineswegs überrascht. In jüngster Zeit habe ich von ihm zahlreiche Sendschreiben empfangen.« Plötzlich lächelte die Kriegsherrin und steckte das Schwert in die Scheide. »Bei mir sitzen so viele seiner verfluchten Vögel in den Käfigen, dass ich schon erwogen habe, sie allesamt braten zu lassen. Folgt mir, wir wollen das Gespräch drinnen fortsetzen.« Sie ging voraus ins Zelt, an dessen Eingang der Bursche und das kleine Mädchen standen und aus großen Augen R’shiels Drachen bewunderten. R’shiel konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, dass Dranymir den Auftritt auskostete, obgleich ihr unklar blieb, ob er auf seinem Drachengesicht wirklich einen so überaus selbstgefälligen Ausdruck zur Schau trug oder sie es sich nur einbildete. »Göttliche, das sind mein Sohn Valorian und seine Gemahlin Bayla.«
Nach R’shiels Ansicht waren die zwei Kinder zu jung, um des Abends allein auf die Gasse gelassen zu werden, gar nicht davon zu reden, dass sie ein sinnvolles Alter für eine Ehe gehabt hätten. Neugierig besah sie sich Bayla, aber sie stellte an ihr nichts fest, das an ihren Vater Cyrus Aarspeer erinnerte. Beide verbeugten sich hastig, als sie an ihnen vorbei hinter Tejay das Zelt betrat. »Kann ich Euch etwas zur Stärkung anbieten, Göttliche?«, fragte die Kriegsherrin und gab R’shiel zu verstehen, dass sie Platz nehmen sollte. Heilfroh ließ sich R’shiel, weil ihr vom Drachenreiten noch die Schenkel zitterten, auf einige der überall ausgelegten Seidenkissen sinken.
»Habt Dank. Ihr braucht mich nicht ›Göttliche‹ zu nennen, Kriegsherrin. Ich heiße R’shiel.«
»Nun wohl, R’shiel. Dann ruft mich Tejay. Bayla!«
Unterwürfig schob ihre Schwiegertochter den Kopf durch die mit Stickereien verzierten Vorhänge des Zelts. »Ja, Schwiegermutter?«
»Bewähre dich ausnahmsweise einmal als nützlich und besorge uns ein Morgenmahl.« Als Bayla verschwunden war, setzte sich Tejay gegenüber R’shiel nieder. »Wenn ich etwas verabscheue, sind es wachsweiche Weibsbilder. Und dieses Mädchen hat die Demut als hohe Kunst erlernt.«
»Warum habt Ihr sie dennoch Euren Sohn heiraten lassen?«
»Weil eine Mitgift sie
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