Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
bevor sie sich an diese törichte Suche nach Loclon gemacht hat.«
Es hatte schwerlich einen Sinn, Warner erläutern zu wollen, weshalb R’shiel die Ergreifung Loclons als so überaus bedeutsam erachtete, also ging Tarjanian über die Bemerkung des Obristen hinweg. Vom Fenster strebte er zu einem der behaglich mit Leder gepolsterten Lehnstühle, die vor dem Pult standen, nahm Platz und streckte die Beine aus. Er rieb sich die Körnigkeit der Erschöpfung aus den Augen, ehe er den Blick auf Warner heftete.
»Und was soll nun werden? Da wir Jenga verloren haben, übt niemand den Oberbefehl aus. Es sei denn, Ihr wünscht das Amt des Obersten Reichshüters anzutreten.«
Der Obrist schüttelte den Kopf. »Dergleichen liegt mir fern, denn ich verfüge weder über die Fähigkeiten, die erforderlich sind, um Medalons Fortbestand zu gewährleisten, noch ist mir irgendwelcher Ruhmesglanz zu Eigen. Es muss jemand her, den das Volk kennt. Ich habe meine Laufbahn bescheiden im Hintergrund vollzogen. Verkünde ich einen von mir unterzeichneten Erlass, schaut die gesamte Bevölkerung stutzig drein und fragt: Garet wer ? «
»Wer anderes käme denn infrage?«
»Ihr selbst, Tenragan.«
»Ihr beliebt einen überaus schlechten Scherz zu reißen, Warner.«
»Ich spaße beileibe nicht.«
»Selbst wenn ich das Amt anstrebte – und ich tu’s nicht –, ich fände keine Gefolgschaft.«
»Oho, da unterschätzt Ihr Euch, mein Freund. Ihr seid der berühmteste Hüter, der jemals gelebt hat, und genießt den Ruf, ein furchtloser …«
»So redet doch nicht so albern daher …!«
»Hört mich an, Tenragan. Ihr habt das Hüter-Heer verlassen, weil es Euch zuwider war, unter Frohinia zu dienen, und in der Tat entpuppte sie sich als die abscheulichste, rücksichtsloseste Unholdin, die sich jemals ins Amt der Ersten Schwester emporgeschwungen hat. Vor aller Augen habt Ihr dem Weibsbild getrotzt. Ihr habt den Rebellen, die sich wider sie auflehnten, Beistand geleistet. Man hat Euch gefangen genommen. Ihr seid entflohen. Dann habt Ihr gegen die Karier gekämpft und auch nach der Waffenstreckung den Widerstand unbeirrt fortgesetzt. Ob es Euch behagt oder nicht, jede unkluge, jähe oder zufällige Handlung, die Eurerseits verübt worden ist, seid Ihr Euch geweigert habt, Frohinia den Treueschwur abzulegen, hat Euch letzten Endes zu einer Heldengestalt erhoben.«
»Das ist doch purer Unfug.«
»Gewiss, es ist Unfug, und dennoch ist es gleichzeitig die Wahrheit. Ihr seid der einzige Mann in ganz Medalon, zu dem sowohl das Hüter-Heer, das Volk als auch die Heiden-Rebellen Vertrauen fassen können. Zu Euren Freunden zählt der Großfürst von Hythria, den wir aufs Dringlichste zum Bundesgenossen benötigen. Wenn Ihr ihn darum ersucht, wird er uns zu Hilfe eilen. Hingegen steht allemal fest, dass er auf meine Bitte bestimmt nicht käme.« Garet Warner lächelte. »Sogar die halbe verwünschte Schwesternschaft wird sich hinter Euch stellen«, fügte er hinzu. »Zumindest die Jüngeren, die einen Großteils ihrer Novizinnenzeit damit vergeudeten, Eure Beachtung zu erregen.«
Mit dieser Äußerung entlockte er sogar Tarjanian ein Schmunzeln. Als er noch Kadett gewesen war, hatte Garet Warner ihn eines Tages zu sich gerufen, um ihm darzulegen, dass er und Georj nicht mehr die Bibliothek aufsuchen dürften, während dort Novizinnen-Klassen Bücher wälzten. Schwester Mahina hatte nämlich ihre Anwesenheit als Störung empfunden. Doch Tarjanians knappes Lächeln verflog rasch, und er schüttelte den Kopf.
»Ich verspüre keinerlei Begehren, über Medalon zu herrschen, Warner. Nicht einmal für kurze Frist möchte ich es tun.«
»Eben dies weiß ich über Euch, und darum biete ich Euch das Hochmeister-Amt an. Hegte ich nur im Mindesten den Verdacht, Ihr wärt darauf erpicht, hätte ich meinen Vorschlag niemals ausgesprochen. Es muss jemand Oberster Reichshüter werden, dem es am Herzen liegt, in Medalon eine neue Ordnung zu begründen. Ich bin all der Leute zum Speien überdrüssig, die allein um der Machtfülle willen nach Ämtern und Einfluss gieren. Genau darum habe ich es als unverzichtbar angesehen, die Schwesternschaft aller Macht zu entheben.«
»Zwingen könnt Ihr mich nicht zur Amtsübernahme.«
»Natürlich nicht. Dann nennt mir einen Namen. Macht mir in Medalon einen Mann ausfindig, der die gleichen vortrefflichen Voraussetzungen wie Ihr mitbringt, und ich behellige Euch nie wieder mit meinem Ansinnen.«
Tarjanian stieß ein
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