Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
gewöhnlich befindet sich das Sanktuarium in einem Versteck außerhalb der herkömmlichen Zeit.«
»Dann ist es wohl herübergewechselt? Weshalb sollte Korandellan so etwas getan haben?«
»Mit Gewissheit hat er es nicht ohne Not dahin kommen lassen.«
Brakandaran maß sie mit grimmigem Blick; und da begriff sie seine Worte. Korandellan hatte das Sanktuarium zurück in die gewöhnliche Zeit rutschen lassen, weil er nicht mehr dazu fähig gewesen war, es abseits der eigentlichen Welt festzuhalten. Entsetzt starrte R’shiel umher. Sie hatte sich der Harshini-Magie bedient, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, in welchem Übermaß sie sie verschleuderte.
Sie trug daran die Schuld, dass die Harshini nicht mehr den Schutz ihres Verstecks genossen.
»O bei den Gründerinnen, Brakandaran«, sagte sie in stiller Verzweiflung. »Was habe ich da bloß angestellt?«
Um die Mitte des Vormittags hatten die letzten Karier sowie sämtliche Stadtbewohner, die nicht in der Zitadelle verweilen mochten, das Haupttor durchquert, und angesichts des draußen lagernden Heers wurde es wieder geschlossen.
Pflichtgemäß hatten die Hüter-Krieger, die am Tor auf Wache standen, in der Menschenmenge auf Loclons bekanntes Gesicht geachtet. Keine Aufmerksamkeit dagegen erübrigten sie für den hünenhaften, blöde aussehenden Gesellen, der einen Handkarren voller alter Decken zog, und kaum mehr Beachtung fand die dürre, scharfäugige Alte, die ihn begleitete. Auch verzichteten sie darauf, den Karren zu durchsuchen. Die Decken rochen miefig, und das Weib trug um den Hals unverhohlen das Xaphista-Wahrzeichen zur Schau.
Man wurde einiger Glaubenseiferer ledig, dachten sich die Männer, und sahen das Paar voller Genugtuung ziehen. Dann lenkten die Hüter von neuem alle Aufmerksamkeit auf das Menschengewimmel und suchten die Gesichter nach Loclons unverwechselbarer Narbe ab.
Daher konnten der Hüne mit dem Handkarren, die Alte sowie ein ausnehmend schöner Knabe die Zitadelle verlassen, ohne behelligt zu werden.
46
»Zum Henker, was ist im Händlerviertel vorgefallen?«, erkundigte sich Tarjanian, sobald R’shiel auf der Schwelle zum Kabinett der Ersten Schwester erschien. Dort befand er sich allein mit Garet Warner und einer jungen Frau, die R’shiel auf den ersten Blick nicht erkannte. Sie hatte langes blondes Haar, war in eine grobe, bäuerliche Hose und eine raue Leinenbluse gekleidet und hatte sich zudem lässig einen Hüterheer-Mantel um die Schultern geschlungen.
Im Kamin loderte lebhaft ein Feuer, sodass im Kabinett beinahe stickige Wärme herrschte. Einen flüchtigen, ans Herz gehenden Augenblick lang erinnerten die Umstände R’shiel an die Zeit, als hier noch Frohinia das Zepter geschwungen hatte: Auch damals war diese Räumlichkeit stets in geradezu beklemmendem Maß überheizt gewesen.
»Leider ist dort … ein Brand aufgeflackert.« R’shiel zuckte mit den Schultern, indem sie, dichtauf gefolgt von Brakandaran, das Kabinett betrat. Die Frau neben Tarjanian drehte sich um, als sie R’shiels Stimme hörte, und betrachtete sie verwunderten Blicks.
»Sei mir gegrüßt, R’shiel. Auch dich grüße ich, Brakandaran.«
»Mandah …«
»Anscheinend überrascht es dich, mich wieder zu sehen, Dämonenkind.«
»Nenn mich nicht so«, schnauzte R’shiel gewohnheitsmäßig. »Was tust du hier?«
»Was ich schon getan habe, lange bevor wir uns kennen lernten, R’shiel. Ich helfe den Meinen.«
Die Ihrigen, so wusste R’shiel, waren niemand anderes als die Heiden-Rebellen. »Dich in der Zitadelle anzutreffen, habe ich wirklich nicht erwartet. Eigentlich war es vorgesehen, dass du mit den Hütern nach Hythria ziehst.«
»Ich habe mich dafür entschieden zu bleiben und Tarjanian zur Seite zu stehen«, antwortete Mandah und lächelte dem neuen Hüter-Hochmeister zu. R’shiel kannte diese Art von Mienenspiel und empfand in der Brust unvermutet einen Stich heftiger Eifersucht.
»Welch günstiger Zufall für dich, dass der neue Oberste Reichshüter sich eurer Sache wohlgesonnen zeigt.«
»Von Zufall kann keine Rede sein, R’shiel«, bemerkte Garet Warner und hob den Blick von der auf dem Pult ausgebreiteten Karte. »Es ist einer der Gründe, warum Tarjanian Tenragan in die besagte Stellung befördert wurde. Was beliebst du damit anzudeuten, es sei ›ein Brand aufgeflackert‹?«
»Jemand hat versucht, die Lagerhäuser niederzubrennen. Ich habe … beim Löschen zu meinem Bedauern ein paar Schäden verursacht, aber
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