Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
Entgelt zu erlangen, und du sollst es nicht aus schlechtem Gewissen tun oder um dich an Tarjanian zu rächen. Morgen wirst du nach wie vor das Dämonenkind sein, er wird noch das Amt des Hüter-Hochmeister ausüben, und ich bin unverändert das Halbblut, das von Gevatter Tod geholt wird, sobald du den Sieg erfochten hast. Für uns gibt es keine Zukunft. Es gibt allein die Gegenwart. Die Entscheidung liegt bei dir.« Sein Blick forschte in ihren Augen, forderte eine Antwort. »Bleib bei mir«, fügte er mit heiserer Stimme hinzu, »oder meide mich bis zum Morgen.«
Die Entscheidung fiel ihr wesentlich schwerer, als sie es sich gedacht hätte. Doch der morgige Tag schien noch ein Leben lang entfernt zu sein, und im Tiefinnersten war R’shiel – allem zum Trotz, das sie inzwischen gesehen und schon getan hatte – noch immer nicht vollauf davon überzeugt, tatsächlich von einer Bestimmung geleitet zu werden.
»Ich bleibe.«
Er las in ihrer Miene, suchte nach einem Anzeichen der Unsicherheit. Als er keine entdeckte, lächelte er kurz, dann färbten seine Augen sich schwarz, indem er sie noch einmal, dieses Mal leidenschaftlicher und lüsterner küsste. R’shiel folgte seinem Beispiel und erwiderte den Kuss, öffnete den Mund seiner Zunge und ihren Geist seiner Magie. Rauschhaftes Entzücken durchströmte sie, während Brakandaran sie nicht allein mit den Händen, sondern ebenso mit der Seele umfing. Jeder Abstand zwischen ihnen verschwamm, er wob eine magische Berückung um sie beide, die für nichts anderes als verführerische, köstliche Wonne Raum ließ, die in der Menschenwelt nichts Vergleichbares kannte.
Diese Lust war es, wovon die Sagen erzählten. Sie war die Veranlagung der Harshini, für die Menschen jeder gewöhnlichen menschlichen Liebe entsagten. R’shiel hatte darüber mancherlei Gerede gehört. Spät des Abends hatten in den Schlafsälen die Novizinnen der Schwesternschaft davon geflüstert, sich gleichermaßen davon verlockt und abgestoßen gefühlt. Aus Furcht davor hatte die Schwesternschaft die Harshini auszurotten versucht. All die Gewalt, zu der die Harshini unfähig blieben, aller Zwist, den sie nicht auszutragen verstanden, wandelten sich um in diese Kunst der Hingabe, dieses Geschenk der hinreißendsten, alles verschlingenden Verzückung, die jeden Gedanken, jegliche Wesenseigenschaft verwarf, um nichts als die Vervollkommnung gegenseitiger Wollust zu verfolgen. Das Streben der Harshini nach Glück fand darin seinen letztendlichen, vollendeten Ausdruck.
R’shiel verlor jedes Gefühl für die Zeit, konnte Wirklichkeit nicht mehr von Phantasie trennen. Sie wusste nicht, wie sie ins Bett gelangten oder wie lange die Nacht währte. Sie war nicht mehr dazu im Stande, tatsächliche Berührungen von bloßem Sehnen oder Wonne von Schmerz zu unterscheiden. Durch nichts von allem, was sie in der Vergangenheit erlebt hatte, war ihr irgendeine Vorahnung dieses Glücks vermittelt worden, und wohl nichts von dem, was ihr in der Zukunft noch begegnen mochte, könnte ihm gleichen.
Zum ersten Mal verstand sie voll und ganz die wahre Bedeutung der Magie.
Bei Sonnenaufgang rüttelte Brakandaran sie wach. In seinen Armen drehte sie sich ihm zu und war gelinde überrascht, weil noch immer Magie-Kraft durch sie floss. Sie erfüllte ihren Leib mit wohlig-träger Mattigkeit.
»Es ist an der Zeit, dass du aufstehst und deine heutige gute Tat vollbringst, Dämonenkind«, rief ihr Brakandaran die anstehende Aufgabe mit einem Lächeln in Erinnerung.
»Brakandaran, ich …«
»Nein«, unterbrach er sie und legte ihr einen Finger auf die Lippen, um sie zum Schweigen zu veranlassen. »Sag es nicht.«
Sie lächelte und nickte. »Ich wollte fragen, ob es hier wohl noch etwas zu essen gibt. Ich bin schier am Verhungern.«
»Ich besorge uns ein Morgenmahl, während du dich ankleidest.«
Als Brakandaran mit einer Schale unvorstellbar vollkommener Früchte wiederkehrte, die im Sanktuarium, wo sogar die Maden Rücksicht genommen hatten, geerntet worden waren, stand R’shiel in voller Bekleidung da und war zum Aufbruch bereit. Sie verzehrten das Obst, während sie die stillen Korridore durchmaßen. Brakandaran knüpfte kein Gespräch an, und R’shiel verzichtete ebenfalls darauf. Es gab nichts mehr zu sagen. Er hatte die Bedingungen der einen gemeinsamen Nacht bestimmt, und an sie fühlte sich R’shiel gebunden, gleich was es sie zukünftig kosten mochte. Darüber zu reden, erfüllte keinerlei Zweck.
Fast
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