Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
erfüllt.«
Diese Vorstellung heiterte R’shiels Gemüt in der Tat ein wenig auf. »Die Haupt-Gottheiten machen sich Sorgen?«
»Sie sind besorgt«, bekräftigte Brakandaran seine Aussage.
»Gut so«, stellte R’shiel trotzig fest. »Dazu haben sie auch allen Anlass.«
3
Sobald es sich einrichten liess, ohne unhöflich zu wirken, verabschiedete sich R’shiel von der Hochzeitsfeier, die im Hauptleute-Speisezelt stattfand. Sie hatte auf die Vermählung gedrängt und daher das Gefühl gehabt, wenigstens versuchen zu müssen, sich ein wenig umgänglich zu zeigen, doch Brakandarans Warnung vor Xaphistas Plänen beunruhigte sie stärker, als sie zugegeben hätte. Mehrmals hatte sie, wie ihr auffiel, im Kerzenschein dieses oder jenes Gesicht beobachtet und sich dabei mit der Frage beschäftigt, wen der »Allerhöchste« wohl zu seinem Werkzeug erwählen mochte.
Hinter welcher vertrauten Miene könnte sich künftig in Wirklichkeit ein Feind verbergen? Wessen Blick verhehlte Verräterei, und wessen Augen spiegelten ehrliche Freundschaft wieder?
Sie verließ das Zelt voller Erleichterung, froh darüber, endlich allein zu sein. Anscheinend spürte Brakandaran, welche Gedanken sie marterten, und sah davon ab, ihr zu folgen.
Sie stapfte durch das ausgedehnte Hüter-Lager, weil ihr zu ruhelos zumute war, um die Schlafstatt aufzusuchen. Seit sie das Sanktuarium verlassen hatte, brauchte R’shiel weniger Schlaf als zuvor. Zwar erwies sich diese Umstellung bisweilen als recht nützlich, doch in den finstersten Stunden der Nacht, wenn der Geist am schwächsten war, lastete die Bürde ihrer Bestimmung über die Maßen schwer auf ihr. Und heute, da sie Brakandarans Warnung vor möglichen Feinden in ihrem engsten Umkreis noch deutlich in den Ohren hatte, schien sie sie noch schwerer als sonst zu drücken.
Dennoch fühlte sie sich keineswegs unzufrieden. Vielmehr erschreckte es sie sogar ein wenig zu entdecken, wie sehr sie das Geschehen genoss. Brakandaran gegenüber hatte sie erwähnt, nicht an Vorsehung zu glauben, doch in Wahrheit hatte Frohinia sie, wenn auch ohne darüber Klarheit zu haben, auf etwas Derartiges vorbereitet. Alles, was sie jemals von Frohinia gelernt hatte, war darauf abgezielt gewesen, sie die Kunst des Überlebens inmitten der halsabschneiderischen Schwesternschaft des Schwertes zu lehren.
Als Kind hatte sich R’shiel dagegen gesträubt. Heute erkannte sie nicht nur den Nutzen all jener Lehren, sondern empfand sogar ihre Anwendung nahezu als erregenden Kitzel. Oft hatte sie zu Brakandaran gesagt, es sei ihr zuwider, das Dämonenkind zu sein, aber gelegentlich berauschte es sie nachgerade, Fürsten und Prinzessinnen zu Handlangern zu haben. Selbst die Hüter, die einst nicht viel mehr als die lästige kleine Schwester eines ihrer Hauptleute in ihr gesehen hatten, zollten ihr jetzt zurückhaltende Anerkennung.
Zum ersten Mal im Leben verstand sie das Verlockende der Macht, aber noch war sie von hinlänglicher Gutwilligkeit erfüllt, um hoffen zu können, dass die Macht ihr nicht die Seele verdarb. Der Gedanke, alles zu opfern, um ihre Ziele zu erreichen, war ihr noch fern. Aber sehr viel dafür einzusetzen, dazu war sie bereit. Und es traf zu, was Brakandaran gesagt hatte: Sie hatte sich für die Seite entschieden, auf der sie stehen wollte.
Nun blieb ihr nur noch übrig, jene Aufgabe zu erledigen, für die sie durch die Haupt-Gottheiten in die Welt gesetzt worden war: eine Bestimmung zu erfüllen, von der sie überhaupt keine Vorstellung hatte, wie sie verwirklicht werden könnte.
Ihre Überlegungen richteten sich auf Hythria und den Grund, aus dem sie eingewilligt hatte, Damin und Adrina in den Süden zu begleiten. Zunächst hatte sie sich nur einverstanden erklärt, um Damin Wulfskling Rückhalt zu gewähren – da er jetzt mit der Tochter des verhassten Erzfeindes von Hythria vermählt war – und mögliche Scherereien von ihm abzuwenden. Im Lauf der vergangenen Tage jedoch hatte R’shiel begriffen, dass sie in den Süden gehen musste , weil sich dort der Sitz der Magier-Gilde befand. Wenn es irgendwo auf der Welt jemanden gab, der Kenntnisse darüber besaß, wie man einen Gott tötete, dann gewiss die letzten rein menschlichen Magie-Ausübenden.
R’shiel hatte die Verführungskraft Xaphistas schon kennen gelernt, und obwohl sie es Brakandaran nicht eingestanden hatte, bezweifelte sie, dass sie in der Lage wäre, ihm ein zweites Mal zu widerstehen. Sie musste an Wissen gelangen, das nicht
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