Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dämonentor

Dämonentor

Titel: Dämonentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
Vom Netzwerk:
dem Bett und lässt mehrere Beutel voll durchsichtiger Flüssigkeit
in den Arm des Patienten laufen. Alan liegt auf einem Berg von Kissen und seine
Augenlider flackern, als ich eintrete. Er lächelt mich an. »Bob.«
    »Ich bin so schnell wie möglich gekommen«, sage ich
und fasse in meine Innentasche, um eine Gute-Besserung-Karte herauszuholen. Die
Polizistin zuckt bei der Bewegung zusammen, entspannt sie sich aber wieder, als
sie sieht, worum es sich handelt. »Wie geht es Ihnen?«
    »Beschissen.« Er grinst mich müde an. »Wie beim schlimmsten
Fall von Montezumas Rache, den die Welt je erlebt hat. Und wie geht es Ihnen,
mein Junge?«
    »Kann mich nicht beklagen. Ich durfte bisher noch
nicht mit Mo sprechen. Den ersten Tag nach unserer Rückkehr wurde ich von den
Voodoo-Heilern genauestens unter die Lupe genommen. Vielleicht hat ihnen die
Farbe meiner Gallenflüssigkeit ganz besonders gut gefallen, oder so.« Ich
plappere sinnloses Zeug vor mich hin. Reiß dich am Riemen. »Es scheint
genug Beton zwischen uns gewesen zu sein. Konnten Sie schon mit Hillary
sprechen? Und wie ist das Essen hier drin?«
    »Das Essen?« Langsam wendet er den Kopf und schaut
vielsagend auf die Kanüle in seinem Arm. Seine Haut ist braun und vereitert.
Sie hängt nur noch an seinen Knochen und ist von weißen schuppigen Flecken
übersät. »Derzeit ernähre ich mich  eher flüssig, Bob.« Er schließt die Augen.
»Hillary habe ich noch nicht gesehen. Verdammt, bin ich müde. Und Fieber habe
ich auch manchmal.« Er öffnet die Augen wieder. »Sie werden es ihr doch sagen?«
    »Ihr was sagen, Alan?«
    »Sagen Sie es ihr einfach.«
    Die Polizistin hinter mir räuspert sich. »Klar, mache
ich, Alan«, antworte ich, aber er scheint mich gar nicht mehr zu hören. Er ist
einfach eingeschlafen, wie ein Achtzigjähriger auf Valium. Ich stelle ihm meine
Karte auf den Nachttisch, damit er sie findet, wenn er wieder aufwacht. Falls
er wieder aufwacht. Er hat gewusst, dass er in seinem Bett sterben würde. Es Hillary sagen?
    Ich drehe mich um und gehe hinaus, ohne die Welt um mich
herum wahrzunehmen. Die Polizistin folgt mir nach draußen und schließt leise
die Tür. »Haben Sie eine Ahnung, wer ihm das angetan hat, Mr. Howard?«
    Ich bleibe stehen und balle hinter meinem Rücken die
Fäuste. »Ja, in gewisser Weise schon«, erwidere ich leise. »Und es wird nicht
noch einmal passieren, falls Sie das meinen. Wenn Sie mir jetzt meine Karte
wiedergeben würden? Ich muss ins Büro, um seiner Frau mitzuteilen, wo er sich
befindet. Ich kann doch darauf zählen, dass Sie sie zu ihm lassen?«
    Sie deutet mit dem Kopf in Richtung des Pflegers. »Das
ist seine Entscheidung.«
     
    Ich nehme die Hintertür zur Wäscherei. Es ist drei Uhr
nachmittags, und draußen nieselt es. Der leichte Südostwind lässt einen
frösteln, und der grau bedeckte Himmel passt genau zu meiner Stimmung. Mein
Arbeitsplatz hat sich seit letzter Woche, als ich das letzte Mal hier war,
nicht verändert. Eine Tasse mit altem Kaffee steht noch immer auf meinem Tisch
und daneben liegt ein Berg von ungelesenen Memos, die ebenso wie der Monitor und
die Tastatur mit gelben Haftnotizen übersät sind. Auf jedem der Zettel steht in
Großbuchstaben »MICH SOFORT KONTAKTIEREN«.
    Ich lasse mich auf meinen Stuhl fallen, rolle vor den
Computer und mache mich lustlos über den Berg von E-Mails her, die meinen Posteingang
verstopfen. Es sind zwar viele, aber einen Tag nach meiner Ankunft in Amsterdam
wurden mir plötzlich keine mehr geschickt. Das ist merkwürdig. Ich sollte
eigentlich von Nachrichten aus der Personalabteilung, Aufforderungen, neue
Software für die Idioten in der Buchhaltung zu installieren, und von Nachfragen
Angletons zu streng geheimen Berichten bezüglich des Bruttosozialprodukts der
Äußeren Mongolei von 1928 überschwemmt werden – nun, zumindest Angleton wusste,
dass ich außer Haus war.
    Ich lehne mich zurück und starre die Decke an. Da oben
sind einige kaffeebraune Flecken zu sehen,   Überreste irgendeines
Missgeschicks aus den Frühzeiten der Wäscherei. Als hätte ich einen
Rorschachtest vor mir, entstehen auf einmal Bilder von Alans Haut vor meinem inneren
Auge: braun und schlaff, als wäre sie von innen heraus weggebrannt worden. Ich
wende den Blick ab. Für einen Augenblick sind mir sogar die gelben Haftnotizen
und alles, was mit ihnen zusammenhängt, lieber als das, was nun vor mir liegt.
    Da öffnet sich die Tür. »Robert!« Ich drehe mich um.
Es ist

Weitere Kostenlose Bücher