Dämonentor
bevor Sie noch einmal
von ihnen entführt werden können.«
Ich nehme die Pizza vom Grill und lasse sie auf einen
Teller gleiten. »Ein Stück Pizza?«
»Ja, gern.«
Ich schneide sie in zwei Teile, nehme noch einen Teller
aus dem Schrank, lege eine Hälfte der Pizza darauf und reiche das Ganze Mo. »Es
scheint ein Zusammenhang zu bestehen zwischen den Kerlen, die Sie gekidnappt
haben und einer Sache, die mein Chef seit einigen Jahren im Auge behält. Beides
steht wohl mit dem Mukhabarat in Verbindung, dem irakischen Geheimdienst. Das
Ganze könnte außer Kontrolle geraten. Ein Diktator, der Waffen möchte, die er
aber nicht haben darf. Verstehen Sie?« Sie nickt mit vollem Mund. »So gesehen
macht Ihre Entführung durchaus Sinn. Was ich jedoch nicht verstehe, ist diese
ganze Opferungsgeschichte. Beziehungsweise der Mordversuch an Ihnen. Dahinter
kann nicht nur der Mukhabarat stecken. Diese Typen sind zwar grausam, aber
keine Idioten.«
Ich hole tief Luft. »Nein, Ihre Entführung muss etwas
mit dem Vermächtnis der Ahnenerbe-SS zu tun haben. Und das ist wirklich große
Scheiße. Ich würde es Saddam Hussein durchaus zutrauen, damit etwas zu tun zu
haben – die irakische Ba’ath-Partei hat ihren gesamten Sicherheitsapparat nach
dem Vorbild des Dritten Reichs strukturiert. Aber trotzdem wundert es mich. Der
Mann mit den seltsamen Augen, den Sie nach der Stürmung des Hauses nicht mehr
gesehen haben – hat er etwas mit Mukhabarat zu tun? Und wollen diese Leute
wirklich irgendeinen verrückten Nazi-Totenzauber heraufbeschwören? Wenn ja,
dann müssen wir herausfinden, mit wem wir es zu tun haben. Und die Antwort
könnte durchaus im Keller des Rijksmuseums auf uns warten. Oh, und dann wäre da
noch etwas.«
»Und was?«
Ich schaffe es nicht, ihr in die Augen zu sehen. »Mein
Chef meint, er würde gerne wissen, was Sie von all dem halten. Ganz
inoffiziell.«
Das ist nur die halbe Wahrheit. Was ich ihr am
liebsten sagen würde, ist etwas ganz anderes: Sie sind hinter Ihnen her.
Solange Sie sich hier in diesem gesicherten Haus aufhalten, kommen sie nicht an
Sie heran. Aber wenn wir Sie in Amsterdam als Köder einsetzen, wo Mukhabarat
seinen Hauptsitz in Westeuropa hat, könnten wir sie aus ihrem Versteck locken.
Dann müssten sie es nur noch einmal versuchen. Diesmal aber unter unseren
Adleraugen. Sind Sie zu so etwas bereit, Mo? Aber ich traue mich nicht. Mir
fehlt der Mut, ihr die Wahrheit zu sagen. Ich halte also den Mund und fühle
mich sehr schlecht dabei. Vor meinem inneren Auge sehe ich, wie mir Andy und
Derek wohlwollend zunicken, aber das hilft mir auch nicht. »Für jedes Problem
gibt es eine Lösung, und je mehr Leute sich damit beschäftigen, umso eher
findet man sie«, sage ich platt. »Außerdem ist es eine tolle Stadt. Wir könnten
uns vielleicht sogar einige Kupferstiche ansehen oder so was.«
»Sie müssen sich unbedingt eine neue Anmache
überlegen«, erwidert Mo und versucht, ein besonders feuchtes Stück Pizza von
ihrem Teller zu zerren. »Aber tun wir mal so, als wäre ich angetan. Wie viel
soll die Reise denn kosten?«
»Ah, das ist die gute Nachricht.« Ich leere meine
Tasse und schiebe sie beiseite. »Es hat nicht viele finanzielle Vorteile, für
die Wäscherei zu arbeiten, aber zumindest erhält man einen Pass, der einem
billige Flüge beschafft. Jetzt brauchen wir nur noch eine günstige Pension.«
6
Das Archiv des Grauens
Die nächsten drei Tage rauschen nur so vorbei – fast
wie die – Microfichefilme in Angletons Memex. Mo ist in das leere Zimmer im zweiten
Stock unseres Hauses gezogen, und fast hat man den Eindruck, sie wäre schon
immer hier gewesen. Auch wenn sie inzwischen Universitätsdozentin ist, kann
ihre Promotion noch nicht so lange zurückliegen, sodass sie das Leben in einer
WG wohl noch gewöhnt ist. Ich konzentriere mich auf meine alltägliche Arbeit,
repariere zusammengebrochene Netzwerk-Server und nehme eine Sicherheitsprüfung
für die Computer einer bestimmten Abteilung vor. Die Nachmittage verbringe ich
im gesicherten Büro in der Chefetage und lerne die Bibel für den Außendienst
mehr oder weniger auswendig. Dabei versuche ich, nicht daran zu denken, in was
Mo da hineingezogen wird. Um sie möglichst gar nicht sehen zu müssen, komme ich
so spät wie möglich nach Hause. Mich quält weiterhin mein schlechtes Gewissen,
obwohl ich nur das tue, was man mir aufgetragen hat, und ich keine andere Wahl
habe.
Wenigstens habe ich nichts mehr von
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