Dämonentor
zumindest etwas«, sagt sie mit einem sarkastischen
Unterton in der Stimme. »Konnten Sie etwas herausfinden?«
Der Käse wird langsam braun. Ich drehe den Grill etwas
herunter. »Kaffee?«
»Lieber Tee, wenn ihr einen dahabt.«
»Klar. Also, ich habe einiges entdeckt. Wussten Sie,
dass das, was die Männer besprochen haben, vollkommen unmöglich ist? Weil es
nämlich nicht erlaubt ist?«
»Aber das ist doch – warten Sie.« Sie sieht mich
scharf an. »Wenn Sie mir einen Bären aufbinden wollen, dann –«
»Würde ich so etwas tun?« Ich spiele die beleidigte
Unschuld so überzeugend, dass Mo lachen muss.
»Ihnen würde ich alles zutrauen, Bob … Was soll das
heißen, es ist nicht erlaubt? Als Ihr Professor befehle ich Ihnen, mir nichts
zu verheimlichen.«
»Ich dachte immer, dass Sie mir als Professorin Ihr
Wissen vermitteln sollten.«
»Nein, nein, da müssen Sie etwas missverstanden haben
… Aber jetzt mal im Ernst: Was zum Teufel meinen Sie?«
»Das Ganze reicht zurück bis ins Jahr 1919«, fange ich
an und werfe einige Teebeutel in eine etwas ramponierte Kanne. »Damals rief ein
gewisser Baron von Sebottendorff in München die Thule-Gesellschaft ins Leben.
Diese Gesellschaft bestand hauptsächlich aus mystisch angehauchten Spinnern,
die allerdings zur gehobenen Gesellschaft gehörten. Sie interessierten sich
besonders für Freimaurer-Symbole und posttheosophischen Unsinn, demzufolge die
einzig wahren Menschen Arier seien, während der Rest – die so genannten Minderwertigen
– ihnen allein durch ihre Existenz Kraft, Reinheit und wertvolle
Körperflüssigkeiten raubten. All das wäre nie sonderlich erwähnenswert gewesen,
wenn nicht einige dieser Irren auch in der bayerischen Politik mitgemischt
hätten – im so genannten Freikorps. Dieses pflegte einen regen Austausch mit
einer kleinen Partei namens NSDAP, deren Anführer, ein ehemaliger
Unteroffizier, von der Landswehr beauftragt wurde, ein Auge auf die rechts
orientierte Szene zu haben. So eignete er sich die Ideen der Thule-Gesellschaft
an und als er dort angekommen war, wo er hinwollte, befahl er dem Leiter seiner
persönlichen Leibgarde – einem gewissen Heinrich Himmler, der ebenfalls sehr an
Okkultismus interessiert war –, Walter Darre, einen Schüler Alfred Rosenbergs,
als Kopf der so genannten Ahnenerbe-Gesellschaft einzusetzen. Anfangs war das
Ahnenerbe noch unabhängig, aber nach 1934 wurde es zu einer Unterabteilung der
SS und hatte die Aufgabe, okkulte Techniken genauer zu untersuchen und zu
verbreiten. Währenddessen machte sich die Gestapo daran, alle
nichtautorisierten okkultistischen Aktivitäten im Dritten Reich auszumerzen.
Hitler wollte das Monopol über alle okkulten Kräfte.«
Ich schalte den Grill ab. »Das alles hätte höchstwahrscheinlich
zu nichts geführt, wenn nicht ein Übereifriger bei der Ahnenerbe-SS eine bis
dato nicht publizierte Schrift von David Hilbert entdeckt hätte, mit dem Titel Die
letzte Frage. Von dort bis zur Wannsee-Konferenz war es nur noch ein
kleiner Schritt.«
»Hilbert, Wannsee-Konferenz. Ich verstehe nicht. Was
hat die Variationsrechnung mit der Wannsee-Konferenz zu tun?«
»Falsche Frage, der richtige Hilbert. Es handelte sich
nicht um eines der so genannten dreiundzwanzig ungelösten mathematischen
Probleme, sondern um etwas, womit er sich später beschäftigte, kurz bevor er
1943 starb. Er hatte ja wahre Pionierarbeit in der Funktionalanalyse geleistet
und natürlich den Hilbertschen Raum errechnet. Aber wie dem auch sei, wussten
Sie auch, dass Hilbert in den Dreißigerjahren immer weniger veröffentlichte und
in den Vierzigern gar nichts mehr? Und falls Sie fragen sollten – ja, er kannte
Turings Doktorarbeit. Muss ich noch mehr sagen? Nein? Gut.
Was nun die Wannsee-Konferenz angeht … 1941 trafen
sich die obersten Nazis in Berlin-Wannsee, um die so genannte ›Endlösung‹ zu
planen und abzusegnen. Aber es war die Ahnenerbe-SS, zusammen mit der Abteilung
für numerische Mathematik, die sich mit Huberts unveröffentlichter Schrift
beschäftigte, welche den Grundstein für die Wannsee-Beschwörung legten. Sobald
Hilbert übrigens erfuhr, welche Absichten man mit seiner Arbeit verfolgte,
wollte er nichts mehr damit zu tun haben. Auf der Konferenz trafen sich etwa
zwanzig verschiedene Nazi-Organisationen. Die Ahnenerbe-SS zog hinter den
Kulissen die Fäden, während Karl Adolf Eichmann als organisatorischer Kopf
fungierte. Eichmann leitete in Wien als SS-Obersturmbannführer die
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