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Dämonentor

Dämonentor

Titel: Dämonentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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nummerierten Türen, die in weitere
Lagerräume führen. Das Ganze ist gut beleuchtet und verlassen – wie ein Labor
an einem Sonntagnachmittag. »Die Symbole an den Wänden in Santa Cruz«, sage
ich. »Meinst du, du würdest sie wiedererkennen?«
    »Wiedererkennen? Hm … vielleicht«, antwortet sie
nachdenklich. »Aber festlegen will ich mich da nicht. Ich war weder in einer
besonders guten Verfassung, noch konnte ich sie mir eingehend ansehen.«
    »Das ist mehr, als ich sagen kann. Und die Schwarze
Kammer hat uns leider keine Ansichtskarten geschickt«, entgegne ich. »Deshalb
sind wir hier. Stell dir einfach vor, es wäre eine Phantombild-Sitzung für Nekromantie.«
Ich lese das Schild an der Tür, die uns am nächsten ist, und öffne sie. Das
Licht geht automatisch an, und ich bleibe abrupt stehen. Zum Glück ist die
Beleuchtung so hell, denn die Gegenstände in diesem Raum lassen einem das Blut
in den Adern gefrieren.
    Vor uns steht ein weißer Tisch. Drei farblich passende
Stühle sind darum aufgestellt. Ich blinzle zuerst ungläubig. Etwas stimmt hier
nicht. Die Möbel erinnern mich an Giger, das Filmset von Alien. Auf
einmal begreife ich es: Die Rückenlehnen der Stühle bestehen aus mit Draht
zusammengebundenen Rückenwirbeln. Die Stühle selbst sind aus menschlichen
Oberschenkelknochen gefertigt, und die dekorativen Schnörkel am Tisch aus
Rippen. Der Tisch wurde aus polierten, ineinandergreifenden Schulterblättern
hergestellt.
    »Ich glaube, mir ist schlecht«, flüstert Mo. Sie sieht
sehr blass aus.
    »Die Toilette ist links den Gang runter«, murmele ich
und beiße die Zähne zusammen, während sie würgend davonläuft. Ich schaue mich
noch weiter um. Sie haben recht, denke ich, manche Dinge müssen
einfach geheim bleiben. Der Holocaust, von dem die meisten nur über die
Wochenschau oder später das Fernsehen Bilder sahen, hat sich in das Gewissen
ganzer Nationen eingebrannt und eine Narbe des unvorstellbar Bösen
hinterlassen, die Idee von Wahnsinn in einer noch nie da gewesenen Dimension.
Es ist schon schrecklich genug, dass es einige gibt, die immer noch behaupten,
der Holocaust wäre nie geschehen. Aber das hier, das ist etwas, was man
einfach nicht beschreiben kann. Das hier ist der düsterste Alptraum eines
kranken Geistes.
    Im Vernichtungslager Birkenau gab es medizinische
Versuchslaboratorien. Vor mir liegen nicht nur einige der dort verwendeten
Instrumente, sondern auch Werkzeuge aus anderen, noch schrecklicheren Laboren,
die hinter dem medizinischen Trakt standen. Zumindest übrig gebliebenen, die
nicht den Richtlinien des Abrüstungsvertrags gemäß zerstört wurden.
    Neben den Gartenmöbeln aus menschlichen Gebeinen
befinden sich mehrere Apparate, die an einen hölzernen Thron mit metallenen Schlaufen
für Hand- und Fußgelenke angeschlossen sind – ein   elektrischer Stuhl. Die
Ahnenerbe-SS experimentierte auch mit der Zerstörung menschlicher Seelen und
versuchte, den Cartesianischen Engpass zu umgehen und nicht nur die Körper,
sondern auch sämtliche informationsspeichernden Echos des Bewusstseins ihrer
Opfer auszulöschen. Allein die Tatsache, dass sich eine
Seelen-Massenvernichtung als schwierig herausstellte, hinderte sie daran, diese
Maschinerie auszubauen.
    Neben dem Seelenzerstörer findet sich in diesem Raum
noch eine klassische, aber mit Aluminium und hydraulischen Schließmechanismen
aufgerüstete Eiserne Jungfrau. Noch zahlreiche andere Foltermaschinen stehen
hier, die meist so konzipiert sind, dass die Opfer erst Höllenqualen durchleben
mussten, bevor sie der Tod erlöste.
    Das Ziel der Ahnenerbe-SS bestand offensichtlich
darin, so viel Schmerz wie möglich zu verursachen. Man tötete die Opfer nicht
einfach, sondern folterte sie während des Tötungsprozesses bis an die äußersten
Grenzen der Belastbarkeit. Anscheinend wollte man den Schmerz wie ein
bösartiger Blutegel aus ihnen heraussaugen und ihnen so lange Qualen zufügen,
bis auch noch der letzte Tropfen extrahiert war.
    Ich lasse mich auf einen Stuhl fallen und weiß
plötzlich kaum mehr, wie ich hierhergekommen bin. Mir ist ganz schwarz vor
Augen. Auf einmal beugt sich Mo über mich. »Bob?« Ich schließe die Augen und
versuche wieder ruhiger zu atmen. »Bob?«
    »Einen Augenblick noch«, höre ich mich antworten.
    Der Raum verströmt förmlich den Geruch nach altem,
totem Terror – und eine wabernde Bosheit, ganz so als warteten die
Folterinstrumente nur darauf, wieder zum Einsatz zu kommen. Warte nur,

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