Dämonentor
flüstern
sie. Ich schaudere, öffne die Augen und versuche, aufzustehen.
»Und das hier ist … Das sind alles Sachen, die das
Ahnenerbe benutzt hat?«, will Mo wissen. Ihre Stimme klingt heiser.
Ich nicke stumm. Ich brauche noch einen Augenblick, um
wieder sprechen zu können. »Der geheime Trakt hinter dem medizinischen Trakt in
Birkenau – dort experimentierte man mit Schmerzen. Man benutzte sogar Zuses
Z-2-Computer, wusstest du das? Die Alliierten sollten ihn zwar eigentlich in
Berlin zerbomben, was man auch Konrad Zuse erzählt hat, aber in Wirklichkeit
nahmen sie ihn mit …« Ich schlucke. »Er steht im nächsten Raum.«
»Ein Computer? Ich wusste gar nicht, dass es die
damals schon gab.«
»Doch, sie befanden sich aber noch im
Entwicklungsstadium. Konrad Zuse baute 1940 den ersten programmierbaren
Rechner. Nach dem Krieg gründete er die Firma ›Zuse Computer‹ die Anfang der Sechzigerjahre
von Siemens aufgekauft wurde. Er war kein schlechter Mann. Als er sich
weigerte, mit den Nazis zusammenzuarbeiten, stahlen sie seine Maschine, legten
sein Haus in Schutt und Asche, und behaupteten, die Alliierten hätten es
zerbombt. Die kabbalistischen Iterationen – sie haben sie in Sobibor wieder
aufgebaut, und für die Schaltkreise haben sie Gold aus den Zähnen ihrer Opfer
verwendet.« Ich stehe auf und gehe zur Tür. »Ich zeige es dir, obwohl wir
eigentlich nicht deswegen hier sind … wie auch immer, komm.«
Im nächsten Raum des Archivs des Grauens stehen die
Überreste des Z-2. Alte 19-Zoll-Einbaurahmen, die bis unter die Decke reichen
und in denen zahlreiche Geissler’sche Röhren zwischen Bedienungselementen,
Messskalen und anderen Apparaturen hervorsehen. Alles wirkt recht kurios, bis
man den Drucker sieht, der in einer Ecke des Raumes steht. »Hier wurden die
Phase-Beschaffenheit-Kalkulationen berechnet, nach denen man die Tötungszeiten
festlegte. Sie öffneten und schlossen die Schaltkreise, sozusagen im Takt mit
den Morden. Sogar Bahnfahrpläne wurden mit dem Computer errechnet, sodass die
Ankunft neuer Opfer mit dem Tötungsrhythmus synchronisiert werden konnte.« Ich
trete an den Drucker heran. Mo steht ganz nahe hinter mir. »Das hier ist er.«
Es ist ein Kurvenzeichner, Motoren ziehen einen Ouijastift quer über ein
Pergament … Ich schlucke schwer, denn das Pergament ist weder aus Kuh- noch aus
Schafshaut. »Man benutzte den Apparat dazu, die Geometriekurven aufzuzeichnen,
die den Weg zu Dho-Na öffnen sollten. Das Ganze ist schon recht weit
entwickelt. Es war das erste Mal, dass man Computer für Magie einsetzte.«
Mo tritt einen Schritt zurück. Das Licht der
Neonröhren an der Decke lässt ihr Gesicht noch blasser wirken als zuvor. »Warum
zeigst du mir das alles?«
»Die Zeichen befinden sich im nächsten Raum.« Ich
folge ihr in den Gang hinaus und nehme sie am Ellenbogen, um sie sanft zur
dritten Kammer zu führen – dort, wo das eigentliche Archiv beginnt. Es ist ein
schlichter Raum voller Zeichenschränke, wie man sie in Architekturbüros findet.
Sie sind flach, breit und dafür gedacht, riesige Blätter darin aufzubewahren.
Ich ziehe die oberste Schublade des ersten Schranks heraus und zeige Mo den
Inhalt. »Sieh es dir an. Kommt dir so etwas irgendwie bekannt vor?« Es ist ein
dünnes Stück Pergament mit einer Zeichnung, die eine Mischung aus Mandala,
Pentagramm und Schaltkreisdiagramm zu sein scheint und mit blauer Tinte
angefertigt wurde. Wenn ich nicht wüsste, worum es sich da handelt oder woraus
das Pergament besteht, würde ich es für sehr dekorativ halten. Ich will das
Ding auf keinen Fall anfassen.
»Das ist – Ja.« Ohne das Artefakt zu berühren, lässt
sie ihren Finger die Linien der Zeichnung entlanggleiten. »Nein, das hier war
es nicht, aber es sah ganz ähnlich aus.«
»Hier gibt es noch mehrere Tausend davon«, sage ich
und beobachte aufmerksam ihr Mienenspiel. »Ich will versuchen, das Symbol zu
finden, das du an der Wand in Santa Cruz gesehen hast.« Sie nickt ohne
jeglichen Elan. »Wir müssen ja nicht sofort anfangen«, lenke ich ein. »Wenn du
eine kurze Pause brauchst, gibt es oben ein Cafe. Dort könnten wir einen Kaffee
trinken und uns erst einmal etwas erholen –«
»Nein.« Sie denkt einen Moment nach. »Ich möchte das
hier hinter mich bringen.« Sie wirft einen Blick über ihre Schulter und ein
kalter Schauer scheint ihr über den Rücken zu laufen. »Ich möchte hier keinen
Augenblick länger als unbedingt nötig bleiben.«
Etwa zwei
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