Dämonenturm - Band 1: Stein auf Schädel (German Edition)
seine Feinde zu stellen.«
Mjir blickte den Gardist fest an.
»Das ist wunderschön«, erwiderte er ernst. »Schöner als jedes Gedicht, das ich je gehört habe. Ich werde es mir gut merken.«
26. Kapitel
Moralische Überlegungen
Zeit verging.
Mjirs Ansehen bei einigen der Rittknappen war erheblich gestiegen, seit sich das Gerücht von seiner wundersamen Flucht aus dem Kerker verbreitet hatte. Lortfelt war fuchsdämonswild geworden – aber da weder Gitterstäbe noch Schloss beschädigt waren, wusste er beim besten Willen nicht, für was er Mjir hätte bestrafen sollen.
Aber obwohl er recht gut mit einigen von ihnen auskam, und manche seine Lieder mochten, existierte etwas wie eine unsichtbare Mauer zwischen Mjir und den anderen Rittknappen. Niemand traute sich zu nah an diesen seltsamen Fremdling heran, der nie zurückschlug und sich bewegte wie ein Böe Wind, bald hier, bald da. Kaum jemand sprach mit ihm, und bei den täglichen Mahlzeiten im Knappsaal blieben die Bankplätze links und rechts von ihm immer leer. Wie konnte man auch schon mit jemandem vernünftig auskommen, der sich nicht wehrte, wenn man nach ihm schlug? Solche Leute konnten nicht ganz richtig im Schädel sein.
Immer noch wunderte sich Mjir oft, wo er hier eigentlich war. Sie schienen sich, wie er schon zuvor vermutet hatte, irgendwo unter der Erde zu befinden. Nirgendwo gab es Fenster, das einzige Licht kam von Fackeln, deren Rauch durch schmale, gewundene Kanäle nach oben entwich. Aber dann und wann hörte Mjir Fußgetrappel oder Stimmen direkt über sich, als befände er sich in einem Gebäude, und doch nicht in einem Stollen, dessen ihn umgebende Steinmassen jedes Geräusch verschluckt hätten.
Seltsam.
An Mjirs erstem Abend hatte der Plattschädelkerl, dessen Name Gregear war, Mjir in eine dunkle, schmale Kammer geführt und mit einem bösartigen Grinsen auf einen länglichen Steinblock auf dem Boden gedeutet.
»Dein Bett!« Das Grinsen war noch breiter geworden. »Das für Neulinge. Damit sie zu guten Kämpfern werden.«
Mjir hatte sich zu der Steinplatte hinuntergebeugt und sie betastet. Sein Gesicht hellte sich auf.
»Das ist wirklich sehr nett von dir.« Er hatte die Hand des anderen, der ihn verständnislos anglotzte, ergriffen und sie herzlich geschüttelt. »Kalkstein. Wirklich sehr freundlich. Daheim musste ich immer auf Granit schlafen. Das ist ziemlich unbequem, weißt du?«
Aus irgendeinem Grund ging ihm Gregear danach aus dem Weg. Sogar noch mehr als die anderen.
Mjir hatte nicht viel freie Zeit – meistens war er damit beschäftigt sich unter inzwischen recht halbherzigen und frustrierten Stockschlägen hinwegzuducken. Doch in seinen wenigen freien Stunden, die ihm in der Woche zur Verfügung standen, besuchte er Rettger, der das einzig wirklich vertraute Gesicht in dieser Welt aus rötlich flackernden Korridoren war.
Und dann, als sie wieder einmal zusammensaßen, fragte Mjir etwas, das ihm schon länger auf der Seele lag.
»Rettger?«
»Hmmm?« Der Gardist schob, was immer er auch grauenhaftes kauen mochte, in die andere Backe und starrte weiterhin zu einer Spinne an der Decke empor, die mit Ausbesserungsarbeiten an ihrem Netz beschäftigt war.
»Warum benehmen sich die Anderen so seltsam, wenn ich da bin? Die anderen Rittknappen, meine ich. Immer wenn sie lachen und scherzen und ich in den Raum komme, hören sie sofort auf damit. Und sie beobachten mich. Ich kann ihre Blicke von hinten spüren.«
»Weil du seltsam bist, Knabe.«
»Ich?«
»Ja, und es wundert mich ehrlich gesagt, dass ich dir das erklären muss.« Der Gardist seufzte und wandte seinen Blick von der arbeitsamen Spinne. »Warum schlägst du nie zurück?«, fragte er plötzlich.
»Warum? Ich habe dir schon gesagt, ich könnte jemanden verletzten.«
»Du könntest jemanden durch die nächste Mauer prügeln!«
»Das will ich aber nicht.«
»Nun, ich sage ja gar nicht, dass du all den Anderen die Hälse brechen sollst. Halte dich eben ein wenig zurück mit deiner Kraft. Du sollst sie nur ein wenig …«
»Beschädigen?«
»So in etwa, ja.«
»Lass mich sehen, ob ich das verstehe«, meinte Mjir ungläubig. »Du sagst, die anderen würden mich besser leiden können, wenn ich sie zu Brei schlagen würde?«
»Nun, nicht gerade zu Brei …«
»Dann eben Püree! Das ist doch Wahnsinn!«
»Tja. So sind die Menschen.«
Mjir konnte sich beim besten Willen nicht dazu durchringen, Rettgers Rat zu befolgen. Gut, auf Felswind hatten die Leute
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