Dämonenturm - Band 1: Stein auf Schädel (German Edition)
hindurch. Dann wandte er sich zu Rettger um, der ihn mit offenem Mund anstarrte.
»W-was hast du angestellt um hier reinzukommen?« stotterte der Gardist. »Etwa allen Rittknappen in der Übungsgrube den Hals gebrochen?«
»Den Hals? Nein, die Stöcke. Ich glaube zumindest, dass das der Grund war. Ich bin immer ausgewichen, als sie nach mir geschlagen haben, und die gesamten Stäbe sind an der Wand zu Bruch gegangen. Aber jetzt weiß ich es besser. Nächstes Mal werde ich stehen bleiben.«
Rettger schien kein Wort von all dem mitbekommen zu haben, was Mjir gesagt hatte. Der Rittgardist hob einen zitternden Finger und deutete auf die verbogenen Gitterstäbe. »W-wie hast du das angestellt? Als sie geschmiedet wurden, hat man sie dem damals stärksten Soldaten der Rittgarde gegeben, Truppführer Wult! Und selbst er konnte sie etwa nur einen halben Zoll weit biegen!«
»Oh.« Mjir sah von den Gitterstäben zu dem Mann. »Hätte ich das nicht tun sollen? Tut mir Leid. Ich kann sie wieder gerade biegen, aber sie werden wohl nicht mehr ganz so aussehen wie vorher.«
»Nicht tun sollen? Knabe, das … ich …«
Rettger sah den Jungen an, und etwas zwischen Be- und Verwunderung lag in seinem Blick. Doch wie baff der Gardist auch immer sein mochte: Er war ein Soldat. Und Soldaten denken stets so geradlinig wie praktisch.
»Kannst du mich hier rausholen?«, fragte er.
Fünf Minuten später waren beide Zellen leer und die Gitterstäbe wieder in ihrer ursprünglichen Form.
So gut wie.
Die Felswinder machten sich bereit für die Heimfahrt.
Sie alle vermieden es das Thema ihres blinden Passagiers anzuschneiden. Brausesturms Zorn war immer noch nicht ganz abgekühlt.
»Garde!«, murmelte der blaubärtige Fischer, während er wutentbrannt eine Kiste mit Proviant auf die Ladefläche schleuderte. Sie rutschte über das Holz und irgendwo weiter hinten krachte etwas. Er achtete nicht darauf. »Garde! Mein Sohn ein Schwertfuchtler! Dass man so tief sinken kann!«
Der Jarl nickte und klopfte ihm auf die Schulter.
»Nur die Ruhe, alter Freund.«
»Ha! Von wegen Ruhe. Dieser Bengel … aber sie werden ihre Freude mit ihm haben.«
Brausesturm schnaubte, marschierte um den Karren herum und schwang sich auf den Kutschbock. »Ich habe ihren Wahlspruch gesehen. Hing groß und breit über dem Eingang. ‚Kraft und Treue dem Königshause!’ Kraft! Und das, wo dieser Pimpf mit zehn Jahren noch keinen Walrossbullen hat festhalten können! Er wird schon sehen, was er davon hat!«
»Beim Dämon!«
Sie waren in einem anderen Gang. Gänge schien es hier viele zu geben. Und auch dieser hatte keine Fenster.
»Beim Dämon«, wiederholte Rettger, »Du, das war unglaublich! Junge, mit ein bisschen Training bist du in einem Jahr der beste Rittgardist in ganz Iakainor!
«Mjir sah ob dieser Voraussage nicht sehr glücklich aus.
»Meinst du wirklich?« fragte er vorsichtig.
»Ob ich … Mjir, bist du wirklich den Schlägen der anderen Rittknappen ausgewichen? «
»Ja.«
»Warum?«
»Nun, ich nehme an, es hätte ein wenig wehgetan, wenn ich stehen geblieben wäre.«
»Junge, du bist hoffnungslos! Ich will wissen, warum du nicht zurückgeschlagen hast!«
»Weil ich sie dabei vermutlich verletzt hätte.«
»Aber das ist der Sinn des Ganzen!«
»Oh.«
Mjir kratzte sich nachdenklich an der Stirn. »Das hätte mir ja jemand erklären können.«
Rettger kniete sich hin und sah dem Jungen in seine blaugrauen, klaren Augen.
»Du willst nicht wirklich Krieger werden, oder?« fragte er.
Mjir dachte nach.
»Weißt du, Rettger-«
»Ja?«
»Ich habe mein ganzes Leben lang Robben und Fische gefangen. Das hat mir nicht sonderlich gefallen. Aber sonst … ich weiß nicht wirklich, was ein Krieger tut. Nur scheint es mir nicht sehr gescheit, aufeinander einzuschlagen, wenn man genauso gut friedlich miteinander auskommen kann.«
Rettger nickte.
»Gescheit ist es auch nicht. Es ist menschlich. Und deswegen gibt es Krieger.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich auch nicht wirklich.« Der Rittgardist seufzte. »Sieh mal, Mjir, es gibt Schatten auf dieser Welt. Dunkle Wesen, voller Bosheit und Neid, die danach trachten nicht nur ihr eigenes Land zu besitzen, sondern die ganze Welt der lebenden und atmenden Dinge zu verschlingen. Wir sind da, falls der Tag einmal kommen sollte, da ein kalter Wind und dunkle Wolken zu uns ziehen, in ihrem Schatten schwarze Fetzen von Bannern. Wir sind da für den Tag, an dem sie kommen um uns zwischen das Gute und
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