Dämonenturm - Band 1: Stein auf Schädel (German Edition)
oft zusammen die Korridore. Zwar hatte Mjir immer noch nicht die leiseste Ahnung, an was für einem Ort sie sich befanden, aber wenigstens hatte er jetzt einen Freund, der sich an diesem Ort, von dem er nicht wusste, wo er war, auskannte. Und Mjirs Neugier war groß.
Lenrik verlor immer mehr von seiner anfänglichen Scheu und entpuppte sich als lebendiger kleiner Kerl mit einer flinken Zunge und ebensolchen Beinen. Sie wanderten durch die Korridore, immer weiter, immer höher hinauf. Und dann eines Tages kamen sie in einen Raum mit einem Fenster.
»Ein Fenster?«, staunte Mjir beim Anblick eines Fetzens blauen Himmels.
»Ja, warum denn nicht?« Lenrik warf seinem neuen Freund einen amüsierten Blick zu. »Dass du über das Kampftraining überrascht warst, in Ordnung, aber habt ihr bei euch zu Hause denn nicht einmal Fenster?«
»Natürlich haben wir Fenster in den Häusern auf Felswind! Ich dachte nur, wir befänden uns hier nicht über der Erde. Ich dachte, wir wären in einem alten Bergwerk oder etwas Ähnlichem. All diese Korridore waren so dunkel.«
»Weil wir Rittknappen tief, tief im Inneren leben. Das ist Teil unserer Ausbildung.«
»Im Inneren? Im Inneren von was?«
»Beim Odem des Dämons, du weißt es wirklich nicht, oder?«
»Ich weiß was nicht?«
»Komm.« Lenrik eilte zum Fenster und zog Mjir mit sich. »Schau hinaus und richte deine Augen auf die schönste Stadt in der Welt der Menschen.
«Der Windfelser trat ans Fenster – und zog scharf die Luft ein. Nun wusste er, warum Irustar damals in der Dunkelheit auf den Felsen über der Stadt die Finsternis fortgewünscht hatte.
Tief unter Mjir, auf einer Insel inmitten eines träge dahinfließenden, im hellen Sonnenschein glitzernden Flusses, erstreckte sich die Stadt Batrilon, ihre farbigen Wimpel in der frischen Brise flatternd. Friede lag über der Stadt und dem Land. Die Häuser, aus hellgrauem und weißem Stein erbaut, schimmerten und glänzten unter dem lichten Himmel, ihre Bilder spiegelten sich in den klaren, blauen Wassern des Flusses.
»Wundervoll, nicht wahr?«, seufzte Lenrik.
»Dies ist das Werk unseres Königs. Er hat die Insel der Könige zwischen den Armen des Alfamun, früher bedeckt mit halb verfallenen und verkommenen Behausungen, wieder zu dem Glanz ihrer alten Tage zurückgeführt. Und er hat sich hier, mitten auf der Insel, diesen Palast erbaut, als Zeichen des ewigen Friedens über Iakainor und als Heim für seine Söhne und deren Söhne.«
»Wir befinden uns in einem Gebäude ?«
»Oh, ja. Du stehst im Wachraum des dritten Kreises, auf den Steinen des Himmelspalastes. Ich wollte schon immer hierher kommen und Rittknappe werden. Mein Vater ist aus gutem Hause und meine Mutter ebenso, trotzdem war es keine Selbstverständlichkeit. Nur die Besten werden ausgewählt. Als mein Vater die Zustimmung des Königs erhielt, konnte ich es kaum glauben.«
Er lächelte verlegen.
»Ich glaube nicht, dass ich einen besonders guten Rittknappen abgebe. Aber ich will meinem Vater und unserem edlen Hause keine Schande bereiten. Ich kämpfe so hart ich kann. Und noch bin ich hier. Ich stehe hier neben dir und schaue das größte Wunder dieser Welt. Dafür lohnt sich jeder Kampf. Sieh, Mjir. Sieh und staune.«
Mjir nickte, seinen Freund anlächelnd.
»Ja, es ist erstaunlich.«
‚ Wirklich praktisch, dass der König hier mitten in der Stadt so einen großen leeren Platz für diesen schönen Palast gefunden hat .’
Mjir runzelte die Stirn. Hatte er etwas gehört? Nein, er musste sich getäuscht haben. Er blickte wieder hinaus aus dem Fenster auf den Platz vor dem Palast. Und dann, ohne wirklich zu wissen warum er es sagte, als folge er einfach dem Rat einer leisen, inneren Stimme, fuhr er fort: »Wirklich praktisch, dass der König hier mitten in der Stadt so einen großen leeren Platz für diesen schönen Palast gefunden hat.«
Lenrik wandte sich zu ihm um und starrte ihn verblüfft an.
Am Morgen darauf, als sie im Knappsaal auf ihr Frühstück warteten – niemand wusste genau, ob der große steinerne Saal mit der niedrigen Decke seinen Namen von den dort Speisenden oder der Menge der aufgetragenen Speisen hatte, beides war durchaus möglich – zeigte Lenrik seinem neuen Freund seinen ganzen Stolz, den Dolch, der der Auslöser des Streits mit Gregear gewesen war.
»Sieh her. Die Klinge ist ein wenig gekrümmt und so elastisch, wie ich es bei keinem unserer Schwerter je sah.«
Er griff vorsichtig nach der Klinge und bog sie. Als
Weitere Kostenlose Bücher