Dämonenturm - Band 1: Stein auf Schädel (German Edition)
er sie losließ, schwang sie sofort zu ihrer ursprünglichen Form zurück. Der stolze Besitzer beugte sich vor und senkte seine Stimme zu einem geheimnisvollen Flüstern.
»Mein Onkel ist bei den königlichen Jägern und ist furchtbar weit gereist, sogar in den Südlanden war er schon und einige der letzten Elven will er gesehen haben. Der Dolch war ein Geschenk zu meiner Aufnahme bei den Rittknappen. Er hat ihn mir mitgebracht aus einer Stadt namens … oh, ich konnte mir den Namen nicht merken. Armenidus oder so ähnlich. Mein Onkel wollte mir nicht sagen, wo genau sie lag oder hatte es vergessen. Auf jeden Fall irgendeine Stadt schrecklich weit weg von hier. Er sagt, der Dolch sei eine alte Ivenklinge, nicht aus Metall, sondern aus der Magie der hohen Geister vergangener Tage geschmiedet!«
Er zögerte und schaute auf den Dolch hinab.
»Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, was er damit gemeint hat.« Seine Miene erhellte sich wieder. »Aber das Ding ist auf jeden Fall sauscharf!«
Die großen hölzernen Türflügel am Ende der Halle wurden aufgestoßen.
Das Essen kam.
Ein mürrisch dreinblickender Mann erschien. Er trug einen großen Korb Brot in der einen und einen Eimer Wasser in der anderen Pranke, ging zwischen den Tischen hindurch und verteilte seine mageren Rationen.
Als der Brotkanten vor Mjir auf den Tisch geknallt wurde und sich ein Schwall Wasser halb in seinen Krug, halb über den Tisch ergoss, seufzte er und blickte zu Lenrik hinüber.
»Ich wünschte, ich hätte auch so ein Messer wie du. Dann könnte ich dieses Zeug wenigstens etwas zerteilen, bevor ich es meinen Zähnen zumute.« Er deutete auf den steinharten Brotkanten. »Was immer man über das Essen auf Felswind sagen konnte, zu hart war es nicht. Ich muss es wissen. Schließlich lag ich anderthalb Monate darauf.«
» Brot schneiden ?« Lenrik blickte entsetzt von seinem funkelnden Schatz zu Mjir. »Himmel hilf, du … Barbar! Mjir, so ein Messer kann man doch nicht zum Brotschneiden verwenden !«
»Würde es das nicht aushalten?« erkundigte sich Mjir, während er das Brot abschätzend hin- und herdrehte, nach einer Schwachstelle in der Kruste Ausschau haltend. »Nun, eigentlich überrascht es mich nicht. Selbst die geschmiedete Magie der hohen Geister vergangener Tage hat ihre Grenzen.«
28. Kapitel
Stahl, Verschwörer, Sturm
Mjir dachte einige Tage darüber nach, ob er, da sein Freund ihm nun seinen größten Schatz gezeigt hatte, ihm das gleiche Vertrauen erweisen und ihm seinen Ring zeigen sollte. Doch irgendetwas hielt ihn davon ab. Er hatte sich geschworen, allein das Rätsel der Inschrift zu lösen. Und bisher war er keinen Schritt weitergekommen.
Schließlich schloss er einen Kompromiss mit sich.
Er würde Lenrik den Ring zeigen, aber erst, wenn er die Botschaft des Schmuckstücks ganz und gar enträtselt hatte! Und jetzt, da er mehr und mehr freie Zeit hatte, weil mehr und mehr der Rittknappen sich vor Kämpfen mit dem ‚Windbeutel’, wie sie ihn nannten, auf tausenderlei Arten drückten, schien der passende Zeitpunkt gekommen zu sein um mit der Suche nach Antworten zu beginnen.
Schon seit einiger Zeit hatten Lenrik und Mjir ein stilles Abkommen geschlossen. Mjir kümmerte sich um die Sachen seines Freundes, wenn dieser müde und übersät mit Blessuren von seinen täglichen Übungskämpfen zurückkehrte. Im Gegenzug zeigte Lenrik Mjir all die geheimen Schleichwege, die er in seinen bisherigen zwei Jahren im Palast entdeckt hatte.
»Also!« Lenrik klatschte in die Hände. »Wo willst du heute hin? Wieder in die Küchen, um den Koch mit Geschichten über unaussprechliche Abscheulichkeiten in Angst und Schrecken zu versetzen? Oder in die Aussichtskammer um den Kopf aus dem Fenster zu halten und sich darüber zu wundern, dass nur so ein laues Lüftchen weht? Aber eins sage ich dir schon jetzt, diesmal lehne ich mich nicht hinaus um zu sehen ob du recht hast. Dein laues Lüftchen hätte mich beim letzten Mal beinahe aus dem Fenster gerissen.«
Mjir schüttelte den Kopf.
»Nein, heute würde ich gerne, ich meine, wenn es nicht zu viel Mühe macht …«
»Spuck’s aus«, meinte Lenrik munter. »Und wenn dein Frühstück mit rauskommt, macht’s auch nichts, war sowieso nichts besonderes.«
»Gibt es hier einen Ort, wo Geschriebenes aufbewahrt wird?«
»Ein Ort, wo – meinst du eine Bibliothek?«
»Ich weiß nicht. Meine ich eine Bibliothek?« Mjir blickte seinen Freund fragend an. »Das einzige Geschriebene
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