Dämonenturm - Band 1: Stein auf Schädel (German Edition)
Wassers.
»Töchter des Flusses«, rief eine leise Stimme. »Töchter des Flusses, hört ihr mich?«
37. Kapitel
Wissen über die Welt und den wichtigsten Ort der Welt
Der Schädel des Schwertmeisters war offenbar – was die meisten der Rittknappen mit großem Erstaunen erfüllte – nicht ganz so hart wie eine Steinmauer, denn er wurde für einige Tage zu den Feldscheren gebracht. Mjir wollte die dadurch gewonnene Freizeit unbedingt dazu nutzen sein neu gewonnenes literarisches Privileg auszukosten. Und obwohl Lenrik, seit ihm in Aussicht gestellt worden war, ein eigenes Schwert zu besitzen, sich für nichts mehr zu interessieren schien, was nicht mindestens eine scharfe Kante zum Zerschneiden von Dingen sein Eigen nannte, erklärte er sich bereit seinen Freund zur Bibliothek zu führen, nachdem dieser ihn darauf hingewiesen hatte, dass man sich auch an Papier schneiden konnte.
In letzter Zeit war so viel passiert, dass es fast vollkommen aus Mjirs Gedächtnis verschwunden war, aber jetzt entbrannte in ihm umso stärker wieder das Verlangen, das Geheimnis um seinen kostbaren Schatz zu lüften. In einer Bibliothek würde er sicher einen Hinweis darauf finden, was die Botschaft auf der Gemme des Rings bedeutete!
Ein Reiter passierte die eifrigen oder auch weniger eifrigen und eher faulen Handwerker an der Spitze des Elvenbeinturms. Sie hatten inzwischen erhebliche Fortschritte erzielt. Alle Bodenplatten waren verlegt, und nun waren sie damit beschäftigt, den Statuen links und rechts von der Tür zum Königsheim den letzten Schliff zu verpassen. Der Reiter näherte sich der Tür. Genaugenommen hätte er einfach eintreten können, denn er wurde erwartet. Er wurde immer erwartet. Aber er wollte nicht bei irgendjemandem vorsprechen, sondern beim König von Iakainor.
Also beugte er sich hinunter, griff nach dem großen, goldenen Türklopfer zwischen den Zähnen des Doppelkopflöwens und schlug gegen das Portal. Das Pochen hallte über die runde Plattform.
»Herein«, erklang eine gedämpfte Stimme von drinnen. Der Reiter stieg nicht vom Pferd. Er war der einzige, der dies wagte, denn er hatte den Befehl dazu erhalten. Seine Berufung war die Schnelligkeit, seine Pflicht das Reiten, geschwinder als der Wind. Er schob die Tür auf und ritt auf seinem Ross in die Eingangshalle hinein. Die Tür zur Säulenhalle stand offen, und er passierte den gewaltigen Durchgang, ohne sich ducken zu müssen. Dort saß der König auf seinem Thron, Hoffnung glühte in seinem Gesicht.
»Sprich, mein treuer Bote«, hob er an zu sprechen. Seine Stimme war rau vor gespannter Erwartung. »Teile mit mir die Worte, berufener Weltenwanderer, teile mit mir die Worte der ewigen Königin. Ist sie gewillt, die Frage der Menschen zu beantworten?«
»Heil, mein König, Arun der Ewige mit dem Löwenmut, Sohn des Anun, Eroberer der Nordmark, Bezwinger des Bösen, Elvenfreund, erhabener Herrscher der Menschen. Oh mein Herr, sie schließt ihre Augen in Trauer und ihre Lippen sind versiegelt. Sie schweigt, wie sie immer geschwiegen hat.«
Da senkte der König sein Haupt, sodass der Ausdruck seines Gesichtes nicht mehr zu sehen war.
Der Bote verneigte sich vor seinem Herrscher und sprach: »Verzagt nicht, oh mein König. Ich werde gehen und wiederkehren, und mit der Gnade des Himmels wird meine Botschaft eine andere sein.«
Er wandte sein Pferd und ritt hinaus.
»Sie … liegt … fast … ganz … an der Spitze … des Turms«, keuchte Lenrik, während er Treppe um gewundene Treppe hinaufkletterte. Mjir, der überhaupt nicht erschöpft wirkte, schlenderte neben ihm einher. »Deswegen … kommen … die Magier und … Schriftgelehrten …so gut wie nie … nach unten. Nur zu großen … Festen … sieht man etwas … von ihnen.«
Mjir blickte über das Geländer in die Tiefe hinab. Die große Wendeltreppe führte im Innern des Gebäudes, parallel zur Außenrampe, den ganzen Turm hinauf. Ungefähr auf halber Höhe hatten die Baumeister es aufgegeben, noch mehr Räume in das riesige Bauwerk zu stopfen, vermutlich weil ihnen keiner mehr einfiel, den sie nicht schon gebaut hatten. Es gab einen Musiziersaal, Bäder, Gewächshäuser, einen Raum zum Duellieren mit rotem Boden auf dem man Blutflecken nicht so gut sah, einen Raum zum Holz schnitzen mit einem Jahresvorrat an Holz, ein Zimmer zum an der Nase kratzen – eine Angewohnheit, die der König nicht ausstehen konnte – und wenn Mjir den Gerüchten glauben sollte, sogar einen Raum zum
Weitere Kostenlose Bücher