Dämonenturm - Band 1: Stein auf Schädel (German Edition)
Magier waren die Hüter der Weisheit auf Weitwelt. Einer von ihnen – selbst der elendste und ehrloseste von allen – müsste wissen, was er herauszufinden suchte. Und der orangegewandete Taschenspieler war der einzige unter all den würdig wirkenden alten Männern und weisen Gelehrten in der Bibliothek, den Mjir sich anzusprechen getraute.
Also erhob er sich, hastete zu Miruwar hinüber und tippte dem alten Mann im Vorübergehen auf die Schulter. Der Magier, bis eben offensichtlich vollkommen mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, blieb abrupt stehen und blickte sich um. Als er Mjir sah, lächelte er erstaunlicherweise.
»Ah, du bist’s. Hallo. Entschuldige, dass ich einfach so an dir vorbeigelaufen bin, aber ich war in Gedanken.«
»Ich hätte eine Frage an Euch.« Nervös trat der Junge von einem Fuß auf den anderen.
»Ja?« Miruwar runzelte leicht die Stirn, aber es schien nur aus Überraschung zu sein, nicht aus Unwillen.
Mjir gestikulierte vage zu den Büchern hinüber, die noch immer auf dem runden Pult aufgestapelt waren. »Ich suche die Bedeutung einiger Worte in einer fremden Sprache.«
Miruwar bedachte den Bücherstapel mit einem etwas zweideutigen Lächeln.
»Ah, ein angehender Gelehrter«, murmelte er. »Ich fürchte, ich selbst war nie sehr gelehrt. Aber ich werde dir helfen so gut ich kann.«
»Vielen Dank.«
»Und die Worte lauten?«
Mjir räusperte sich und strengte sein Gedächtnis an. »Asil de doiae tat alie t’ un, E godis Armanerik ana lata un.«
Was immer Miruwar erwartet hatte, das war es nicht. Sein bis eben noch freundliches Gesicht war zu einer Maske erstarrt. Seine Augen funkelten wie Sterne in weiter Ferne. Er stand da, still wie eine Statue.
Dann sprach er.
»Wo«, und seine Worte waren wie das leise Zischen einer Schlange, »hast du diese Worte gelesen, Knabe?«
Auf einem Ring, den ich gefunden habe .
Die Worte kletterten auf Mjirs Zunge, blieben dort haften – doch er brachte keinen Ton heraus. Er starrte auf das Gesicht des Alten, der plötzlich gar nicht mehr komisch, überhaupt nicht mehr lächerlich wirkte.
Auf einem Ring, den ich gefunden habe .
‚ SagdasnichtsagdasnichtduIDIOT! Sieh dir sein Gesicht an! Lüge! Erfinde irgendetwas! Verdammt noch mal, und zwar schnell! ’
»Äh … ich habe sie in einem … in einem Buch gelesen?«
Der Kopf des Magiers zuckte zu dem gewaltigen Stapel an Codices auf dem Lesepult herum.
»In einem dieser Bücher?« Er tat einige geschwinde Schritte zu dem Pult hin, starrte mit zusammengekniffenen Augen auf die geschriebenen Werke, dann wirbelte er zu Mjir herum und sprach:
» Du wirst mir sagen, in welchem Buch du diese Worte gelesen hast! «
Mjir zuckte beim Klang dieses Befehls zusammen. Er blickte auf den alten Mann, der dort vor dem Pult aufragte, in seiner Kleidung, wie sie einem Narr gebührte. War dies noch derselbe Mann?
»Ich … w-weiß es n-nicht mehr«, stotterte er. »T-tut mir Leid.«
Der Magier hielt inne. Er schien sein Gesicht zurechtzurücken. Es war Mjir als schöbe sich ein anderes Mienenspiel wie eine Maske über die Züge des Magiers, das verdeckend, was kurz sichtbar gewesen war.
»Ach, das ist nicht weiter schlimm.« Miruwar winkte ab und lächelte. »Es hätte mich nur interessiert, nichts weiter.«
‚Was für eine Art von Gewissen soll das sein’, fragte Mjir sich verärgert, als er, immer noch zitternd, die Bibliothek verließ, ‚das mich zum Lügen ermuntert?’
‚ Die Art von Gewissen, die auch noch gerne morgen jemandes Gewissen sein möchte. Tote haben es nicht nötig, dass man ihnen gut zuredet! Hast du sein Gesicht nicht gesehen? Was mag nur in den Kerl gefahren sein … ’
‚Feigling!’
‚ Du hättest ja nicht zu tun brauchen, was ich geraten habe. Tust du doch sonst auch nie .’
‚Hmpf.’
‚ Auf jeden Fall wissen wir jetzt, was wir mit dem Ring machen. Bei der nächsten Gelegenheit werfen wir ihn in den Abtritt oder einen tiefen Brunnen. Egal wie, auf jeden Fall schleunigst weg damit! ’
‚Bist du verrückt? Irgendein Geheimnis steckt hinter diesem Ring! Und ich will herausfinden, was es ist, verstanden?’
‚ Aha. Wir bekommen Ambitionen, wie? Jetzt wollen wir nicht mehr nur Heldenlieder singen, am liebsten würden wir selbst den Helden spielen, in die Welt hinausziehen und ein sehr geheimnisvolles Geheimnis ergründen .’
‚Nun, in einem von Irustars Liedern, einem älteren, geschrieben von einem Hofdichter des früheren Königs, kam der Weise Neraukos
Weitere Kostenlose Bücher