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Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Titel: Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schleich
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bayerischer Ort, in dem sich nicht Lidl, Aldi, Kik & Co breitgemacht haben, muss entweder ein Bauernhofmuseum oder die Münchner Maximilianstraße sein. Aber über all das sieht man ebenso gern hinweg wie über die halbherzigen Le-Corbusier-Imitate bayerischer Stadt entwickler der Nachkriegszeit. Warum eigentlich? Liegt es an den freundlichen Menschen, die uns vom Bahnhof abholen, oder vielleicht an der Frau im Krinolinen-Kleid, die uns am Eingang zur Altstadt eine kleine Blechmarke mit dem Abbild der bayerischen Prinzessin und österreichischen Kaiserin Sisi als Eintrittskarte ans Revers steckt?
    Nun hat man ja seine Erfahrungen mit Städten, deren Bewohner sich in historische Kostüme werfen und im Kollektiv längst vergangene Epochen nachspielen. Thomas erinnert sich noch gut an eine Landshuter Hochzeit, als er sich bei brütender Hitze in ein Pressekostüm aus kratziger Wolle zwängen und seine Brille – trotz schriftlich erteilter Presse-Sondergenehmigung – immer wieder vor übereifrigen Originalitäts-Sheriffs verstecken musste. Hier in Bad Kissingen scheint man lockerer mit Epochen-Verletzern umzugehen, da fährt schon seit Jahren ein Skateboarder dem historischen Zug voran. Im Handstand, wohlgemerkt, aber das verwundert einen nicht in dieser Stadt, in der für ein paar Tage die Gesetze von Zeit und Raum kopfzustehen scheinen.
    Okay, die Grundidee hat man schnell begriffen: Beim Rákoczy-Fest erweckt Bad Kissingen zur eigenen Belustigung und wohl auch zur Ankurbelung des Fremdenverkehrs alljährlich einen Kreis von illustren Persönlichkeiten zum Leben, die alle irgendwann einmal an den hiesigen Heilquellen gekurt haben. Und natürlich ist uns klar, dass in den vier bayerischen Königen und dem einen Prinzregenten, die da allesamt huldvoll lächelnd und jovial grüßend an uns vorbeirollen, Kissinger Bürger und damit leibhaftige Franken des 21. Jahrhunderts stecken, ebenso wie in ihrer Entourage von Dichtern, Politikern und Komponisten, aber trotzdem …

    Ein Schloss geht noch
    Vielleicht liegt es daran, dass die Laiendarsteller ihren historischen Vorbildern vom Typ her sehr nahe kommen, vielleicht liegt es an den bis ins letzte Detail ausgeklügelten Kostümen oder vielleicht hat das salzig-bittere Kissinger Wasser, das wir vorhin in der Quellenhalle aus glänzenden Messinghähnen probiert haben, irgendwas mit uns gemacht? Jedenfalls kommen uns, während der Zug weiter an uns vorüberzieht, ganz seltsame Gedanken. Was wäre eigentlich, wenn die jetzt alle echt wären? Wenn man durch Wurmlöcher im weiß-blauen Raum-Zeit-Kontinuum kurz mal durch die Epochen flitzen und einen kleinen Plausch mit jedem der fünf bayerischen Monarchen halten könnte?
    Theoretisch wäre das sogar möglich, später, wenn der Festzug vorbei ist und die Hoheiten unter den mächtigen Topfpalmen im Kurpark an kleinen Tischen Platz nehmen, den federgeschmückten Raupenhelm oder die Pickelhaube absetzen und sich eine Erfrischung genehmigen: Ludwig I. und Max II. bevorzugen fränkisches Pils, während der zu Lebzeiten doch recht trinkfreudige Ludwig II. offenbar unter die Abstinenzler gegangen ist und sich ebenso wie sein Nachfolger, der Prinzregent, an einem schlichten Glas Wasser labt.
    Richtig nah freilich kommt man an keinen von ihnen heran, so umlagert sind sie von Bewunderern, die den Majestäten schon mal unter Missachtung jeglichen höfischen Protokolls fröhlich glucksende Kleinkinder auf den Schoß setzen, um diese zusammen mit Allerhöchstdenselben auf einem mittels eines Fotohandys hergestellten Lichtbild verewigen zu können.

    Ein Star, der nie hier war – Fürst Rákoczy auf seinem Fest
    Die Herrscher in ihren Paradeuniformen machen gute Miene zum bürgerlichen Spiel. Wenn sie auf ihnen dargebrachte Huldigungen (»Guud warsd wieda«) und Fragen nach dem werten Befinden (»Wie gehd’s denn allweil?«) antworten, befleißigen sie sich ganz volksnah des Dialekts der Eingeborenen, und legt ihnen jemand ein Stück Papier auf den Tisch, malen sie mit in Federkielen steckenden Kugelschreibern, ohne sich zu zieren, täuschend echte Unterschriften hin. Was einen natürlich sofort auf Gedanken bringt …
    Vielleicht sollte man dem einen oder anderen von ihnen beim nächsten Mal ein von langer Hand vorbereitetes königliches Dekret vorlegen, das einen der eigenen Vorfahren in den Adelsstand erhebt. Oder einen selbst zum Alleinerben von Neuschwanstein macht … Auch ein Abschiedsbrief von König Ludwig II. wäre nicht schlecht:

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