Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke
meisten: Das war doch der mit den Märchenschlössern, der mit den Separatvorstellungen im Residenztheater, der mit dem Wagner-Knall, der sich in Linderhof so eine blaue Grotte hat bauen lassen, oder? Aber eigentlich müsste die korrekte Antwort lauten: Welchen Ludwig meinst du? Den ersten, den zweiten oder den dritten? Streng genommen müsste man sogar noch den vierten hinzufügen, den wir auf Schloss Herrenchiemsee auf die Kabarettbühne gestellt haben, aber das ist ein anderes Kapitel …
Wir haben uns in diesem Buch für den ersten der Ludwige entschieden, und das nicht nur deshalb, weil wir in unserer Heimatstadt München auf Schritt und Tritt über irgendeine seiner Hinterlassenschaften stolpern: Königsplatz, Ludwigstraße, Feldherrnhalle, Karolinenplatz – vor Ludwig eins gibt es in München kein Entkommen. Aber auch woanders hat er seine Duftmarken gesetzt – und was für welche! Architektonische Manifeste eines königlichen Politikverständnisses, das uns Suchern nach der bayerischen Identität einen Blick auf eine ideologische Ursuppe gewährt, die in manchen bayerischen Köpfen heute noch brodelt.
Ludwigs germanisches Griechenland – Die Walhalla
In Donaustauf beim Griechen: Die Suche nach einem bayerischen Wirtshaus war erfolglos, da alle in Frage kommenden entweder Ruhetag oder für immer zuhatten. Erst als wir Moussaka, Kleftiko und alkoholfreies Weißbier bestellt haben, fällt uns auf, dass dieses bajuwarisierte griechische Essen eigentlich die angemessenste Stärkung am Fuß eines mitten nach Bayern hineingebauten pseudogriechischen Tempels wäre, wenn … ja, wenn da nicht dieser mit altnordischem Germanengeschwurbel aufgeladene Name »Walhalla« wäre, den König Ludwig I. seinem hellenistischen Säulenbau hoch über der Donau gegeben hat. Irgendwie muss er da mit den Mythologien ein wenig durcheinandergeraten sein, unser Ludwig eins, stellen wir fest, als wir, frisch gestärkt und mit einem ungermanischen Ouzo im Magen, die kurvige Straße hinauf zu einem großen, privatwirtschaftlich (wie sonst?) betriebenen Parkplatz fahren.
Nach Zahlung von zwei Euro Parkgebühr – schade, dass wir keine griechischen Euromünzen in unseren Geldbeuteln finden – dürfen wir auf einem breiten, asphaltierten Treppenweg hinauf zu Ludwigs griechenseligem Ehrentempel steigen. Ein Hinweisschild klärt uns auf, dass an den Hängen unterhalb der Walhalla der einzige Wein der Oberpfalz angebaut wird, was gar nicht so recht zur Walhalla passen will, weil die Germanen doch Met getrunken haben. Das nächste Schild passt da schon eher zur altgermanischen »Wohnung der Gefallenen«, denn es verkündet, dass hier schon etliche Unvorsichtige wegen eines einzigen falschen Schritts einen schrecklichen Tod gefunden haben. »Betreten Sie deshalb den Tempel nur innerhalb der weißen Markierungen«, mahnt die Walhalla-Verwaltung, so, als wäre der Heldentempel in Wirklichkeit die Tragfläche eines Flugzeugs: »Do not walk outside this line.«
Ein helmbewehrter Mountainbiker schnauft an uns vorbei und hat sichtlich Mühe, sein Zweirad in der von unzähligen Stollenreifen ausgefahrenen Erdrinne neben den Stufen zu halten. Oben hält er an und bleibt stehen, bis wir zu ihm aufgeschlossen haben und er Helmut schweißüberströmt versichern kann, dass er für ihn der Größte und Beste überhaupt sei. Gut, dass man dem Sportsfreund vorhin keine Unverschämtheit hinterhergerufen hat.
An der Walhalla angekommen, wartet erst einmal eine Enttäuschung auf uns. Der aus der Ferne so majestätisch wirkende Bau sieht von hinten betrachtet nämlich gar nicht mehr so königlich souverän aus wie von seiner Schokoladenseite. Er ist in weiten Teilen eingerüstet, und das, was auf einer großen Bautafel steht, darf man ruhig wortwörtlich nehmen: »Aufbruch Bayern – Zukunft bauen«. Aufgebrochen hat man nämlich die breiten Treppenanlagen, die hinunter zur Donau führen, und, ihrer steinernen Stufen beraubt, geben sie ihr Innenleben preis, das aus einem fast filigran wirkenden Unterbau aus Ziegeln besteht. Neben diesen Zeugen vergangener Baukunst kann man auch schon das bestaunen, was der »Aufbruch Bayern« unter Zukunft versteht: schwerfällige, graue Betonfundamente, die wohl als Ersatz für die Klenze’schen Ziegelunterbauten dienen und denen man angesichts schon nach zehn Jahren vor sich hin bröselnder Neuzeit-Pinakotheken in München irgendwie nicht so recht vertrauen möchte.
Hohe Bauzäune aus Metallgittern teilen den Blick
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