Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke
aufkommenden Eisenbahnen schon bald nach seiner Eröffnung so gut wie obsolet. Nur Kohle und Steine wurden hin und wieder noch auf schmalen Kähnen transportiert, bis Ludwigs später Nachfolger FJS die schmale Rinne gewaltig aufweiten und zu einem Teil seines umstrittenen Rhein-Main-Donau-Kanals gemacht hat. Viel mehr als auf dem alten Ludwigskanal ist in dem breiten Betonbett allerdings auch nicht los. Wir fahren extra hin und warten eine halbe Stunde auf eines der modernen Binnenfrachtschiffe, für die das Kanalmonster gebaut wurde, aber lediglich ein paar schlecht besetzte Ausflugsboote ziehen an uns vorbei.
Nach diesem unfreiwillig kontemplativen Zwischenstopp machen wir uns auf zu unserem eigentlichen Ziel. Beschwingt fahren wir die Serpentinen zur Befreiungshalle hinauf. Eines muss man dem König wirklich lassen: Er hat sich für seine architektonischen Ausrufezeichen die schönsten Plätze ausgesucht – hier über dem dramatischen Donaudurchbruch, nur wenige Kilometer vom Kloster Weltenburg mit seinem dunklen Bier und seiner wundervoll verspielten Asam-Kirche entfernt.
Wieder empfängt uns ein riesiger Parkplatz. Die Frau am Kassenhäuschen hat die gleiche robuste Figur wie ihre Kollegin am Walhalla-Parkplatz, trägt die gleiche gelbe Warnweste und knüpft uns mit genau den gleichen Sprüchen genau die gleiche Parkgebühr ab, was in uns sofort den Verdacht nährt, dass die Betreiberfirma dieser Parkplätze entweder diese Frauen klont oder einen speziellen Coach für die Schulung von Parkplatzamazonen an bayerischen Nationaldenkmälern beschäftigt. Oder beides.
Mit der Parkraumbewirtschaftung hören die Gemeinsamkeiten zwischen Walhalla und Befreiungshalle aber auch schon wieder auf, zumindest was das Besucher-Handling betrifft. Befindet man sich auf dem Weg hinauf zur Walhalla noch fest in den fürsorglichen Händen einer warnschilderselig dem 19. Jahrhundert nachtrauernden bayerischen Beamtenbürokratie, so regieren an der Befreiungshalle Barcode, Drehkreuz und eine Tafel mit der Aufschrift »Oben am Monument keine Kaufgelegenheit!«.
Teutsch, teutscher, am teutschesten: Die Befreiungshalle
So richtig scheint man der Moderne aber auch hier noch nicht zu vertrauen, denn oben an dem kreisrunden Bau, diesem über die Donau gestellten klassizistischen Fingerhut, finden wir dann doch den unvermeidlichen Aufpasser in grauer Windjacke. Ja mei, den Leuten ist schließlich alles zuzutrauen. Da verschandeln wir extra für sie den Eingang zu einem Nationaldenkmal mit zwei greislichen Drehkreuzen, und die täten am End noch die Frechheit besitzen, einfach drunter durchzuschlüpfen, bloß weil sie zu blöd waren, sich unten ihre Karten zu kaufen!
Wir waren natürlich nicht zu blöd dazu, sondern lassen unter den kritischen Blicken der Graujacke unsere brav gekauften Karten vom automatisierten Einlassroboter einziehen, wieder ausspucken und schließlich um 180 Grad gedreht erneut einsaugen. Dann endlich löst sich mit einem gnädigen Klicken der Metallbalken und gewährt uns Einlass ins Innere des Fingerhuts, eine von weihevollem Oberlicht durchflutete Rotunde.
Drinnen sieht man sich einem gewaltigen Kreis von 34 überlebensgroßen, sich an den Händen haltenden Frauengestalten gegenüber, die in ihren weich fließenden Marmorroben auf den ersten Blick aussehen wie esoterisch angehauchte Hausfrauen bei griechisch-römischer Synchron-Gymnastik. So gesehen müssten auf den goldenen Rundschilden zwischen ihnen die Atomkraft-Nein-Danke-Sonne oder die Anti-Gentechnik-Tomate prangen, aber da liest man ganz andere Dinge: »Schlacht von Großbeeren« oder »Treffen bey Banigkow, V. April MDCCCXIII«.
Was sonst? Schließlich sind die Damen an ihren steinernen Flügeln unschwer als Siegesgöttinnen zu erkennen, und auf den Tafeln hat der bayerische König jedes auch noch so unbedeutende Scharmützel aus den Befreiungskriegen gegen Napoleon verewigen lassen, ganz gleich, ob bei diesen Präludien zur Völkerschlacht von Leipzig nun ein Bayer dabei war oder nicht.
Waren schon schlaue Bürschchen, unsere einstigen Herrscher: Da lassen sie sich erst von Napoleon vom Kurfürsten zum König befördern – »Dankschön, mon Empereur!« – und nebenbei das Staatsgebiet enorm vergrößern – »mog scho sei« –, wofür sie allerdings dem Franzosenkaiser 30 000 Bayern als Kanonenfutter für seinen Russlandfeldzug opfern müssen – »basst scho, mir Bayern und Franzosn müaßn z’ammhalten«. Und als Napoleons Blatt sich dann
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