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Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Titel: Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schleich
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Lippen, die Augenbrauen heben sich, der Oberkörper beginnt rhythmisch zu wippen, und Thomas ahnt schon, was jetzt kommen wird. »Ein Skandal, meine Damen und Herren, ist es, dass ICH nicht in diesem ominösen Bauwerk vertreten bin.«

    »Und wo ist der Strauß?«
    Und in der Tat: Warum ist ER nicht hier, Franz Josef der Große, wo doch Konrad Adenauer, seinem Mitstreiter in der Spiegel -Affäre, seit 1999 die ziemlich sauertöpfisch dreinblickende Büste Nummer 118 gewidmet ist? Schließlich erfüllt Franz Josef Strauß auf vorbildliche Weise die vom König gesetzten Aufnahmekriterien: Albaner war er keiner, und seit 20 Jahren tot ist er auch.
    Für die letzte dieser Hürden, darüber sind wir uns einig, muss man dem guten Ludwig im Nachhinein richtig dankbar sein. Sollte unser Langzeit-Kanzler Kohl nämlich irgendwann einmal das Zeitliche segnen, so verhindert diese Maßgabe mindestens zwei Jahrzehnte lang, dass seine Büste hier aufgestellt wird, womöglich noch mit dem Untertitel »Vater der Deutschen Einheit«. In des Königs deutschtümelndes Weltbild würde der Oggersheimer nämlich durchaus passen, und wer weiß, vielleicht findet sich dereinst auch noch ein Fan, der ihm jedes Jahr am 3. Oktober eine Scheibe Pfälzer Saumagen vor die Büste legt?

Ein Fingerhut als Siegestempel – Die Befreiungshalle
    Im Auto, donauaufwärts, immer noch auf den Spuren des ersten Ludwigs, immer noch auf der Suche nach der in der Vergangenheit verborgenen Identität von uns Bayern, geben wir uns gegenseitig kleine Erlebnisse zum Besten, die wir am Rande unseres Walhalla-Besuchs mitbekommen haben. Die Eltern, die sich beim Anblick römischer Zahlen augenblicklich in Lateinlehrer verwandeln und ihre Kinder all die Ls, Ms und Xe entschlüsseln lassen, die Ludwig im Mosaikboden der Rotunde hat einlegen lassen. Oder Eheleute, die in dieser bildungsschwangeren Umgebung zu selbst ernannten »Wer-wird-Millionär«-Quizmastern mutieren:
    »Weißt du, wer das ist?«
    »Keine Ahnung.«
    »Du wirst doch Leibniz kennen.«
    »Nö.«
    »Echt nicht?«
    »Jetzt lass mich in Ruhe, ey. Du gehst mir auf den Keks.«
    Wir tasten uns am südlichen Stadtrand von Regensburg entlang auf Kelheim zu, quer durch ein geografisches Niemandsland, in dem man schon wieder nicht genau weiß, ob man noch in Niederbayern oder schon in der Oberpfalz ist. Vorbei am Islinger Feld, der ehemaligen »Papstwiese«, auf der »unser« Papst vor Hunderttausenden die heilige Messe gelesen hat, für die – ein einmaliger Vorgang in der autogläubigen Bundesrepublik – sogar ein Stück der A 3 gesperrt wurde, um als Parkplatz für Pilgerbusse zu dienen. Jetzt werden die Wiesen rings um das von diesem denkwürdigen Ereignis zeugende Papstkreuz mit Wohnungen bebaut. Und nach ein paar Generationen weiß vermutlich keiner mehr, warum da mitten in einer Siedlung ein Kreuz steht. Vielleicht würde es den Nachfahren helfen, wenn die Straße, die zu dem Gelände führt, Joseph-Ratzinger-Allee hieße, aber sie heißt, wir können kaum glauben, was uns unser Navi sagt, … schon wieder »Franz-Josef-Strauß-Allee« – Bonn lässt grüßen.
    Aber der schwarze Herrscher, der sich immer wieder in unsere Reisen drängt, interessiert uns im Augenblick weniger. Uns geht es um seinen fernen Vorgänger König Ludwig, auf dessen Spuren wir heute wandeln und der auch bei Kelheim eines seiner steinernen Vermächtnisse in die Landschaft gestellt hat: die Befreiungshalle. Ob er wohl ahnte, dass launige Gastwirte diese Bezeichnung dereinst über den Eingang zu ihren Toilettenanlagen schreiben würden? Wohl eher nicht, denn mit Humor hat es der erste Ludwig offenbar nicht so gehabt. Er war eher ein Kandidat für unfreiwillige Komik, was neben seinen grotesken Liebesaffären auch zahlreiche von königlicher Hand verfasste Gedichte belegen. Während Helmut fährt, liest Thomas vor, wie Heinrich Heine, ein Zeitgenosse des Königs, dessen Dichtkunst beurteilt hat:
    »Herr Ludwig ist ein großer Poet, und singt er, so stürzt Apollo vor ihm auf die Kniee und bittet und fleht: Halt ein! ich werde sonst toll, O!«
    Kein Wunder, dass der Spötter Heine 154 Jahre lang warten musste, bis er in Ludwigs Walhalla aufgenommen wurde, denken wir, während wir ein Stück des alten Ludwig-Main-Kanals passieren, ein stilles Hafenbecken mit kleinen Kränen am Rand. Der als Poet verunglückte König war auch ein nicht weniger verunglückter Kanalbauer – viel zu schmal war er, sein Wasserweg, und durch die

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