Daisy Goodwin
Odos
Versuch, sie zu bevormunden, entgegengetreten war. «Könntest du dem Orchester vielleicht
sagen, sie sollen etwas anderes spielen? Ich habe diesen Walzer bestimmt schon
zehn Mal gehört. Ich sehe Mr. Stebbings angesichts der Vorhersehbarkeit des
Ganzen schon zusammenzucken. Bitte, Ivo.»
«Ist das
denn wirklich so schlimm? Ich fand es ganz charmant, aber wenn du darauf
bestehst. Ein Fest mit zusammenzuckenden Dichtern ist natürlich ganz und gar
unmöglich.» Ivo ging auf die Musiker zu.
Charlotte beugte sich vor, sodass
ihr Mann sie nicht hören konnte. «Ist Louvain hier?»
«Noch nicht», flüsterte Cora zurück.
«Ich habe das Bild immer noch nicht gesehen.»
Charlotte berührte sie mit ihrem
Fächer am Arm. «Keine Sorge, ich bin sicher, es wird Ihnen gerecht.»
Die Beauchamps begaben sich in den
Salon, und Coras Lächeln ließ ein klein wenig nach; sie spürte den Schmerz in
den Wangen. Sie sah, dass die Reihe der Gäste sich die Treppe hinunter bis fast
auf die Straße erstreckte. Sie fragte sich, wann Louvain eintreffen würde.
Jedes Mal, wenn sie an das Porträt dachte, schlug ihr Herz schneller. Es war ja
nur ein Kuss gewesen, aber manchmal spürte sie ihn immer noch – das Kratzen
seines Schnurrbarts an ihren Lippen.
Jetzt stand Herzogin Fanny vor ihr,
den blonden Kopf ein wenig zur Seite geneigt, als
versuche sie sich zu erinnern, wer ihre Gastgeberin war.
«Meine liebe Cora, was für ein
reizender Abend. Ich wusste ja nicht, dass im November so viele Leute in London
sind. Aber Sie sehen etwas blass aus, meine Liebe, ich hoffe, Sie übertreiben
es nicht. Sie müssen doch hier nicht länger stehen, ich finde, eine halbe
Stunde in der Schlange reicht vollkommen.» Sie lächelte Cora huldvoll zu.
«Aber ich kenne gar nicht jeden.
Außerdem wäre es unhöflich, meine Gäste nicht zu begrüßen», sagte Cora.
«Offenbar sind Sie noch jung genug,
um anzunehmen, dass man mit gutem Beispiel vorangehen muss. Dann tun Sie, was
Sie für richtig halten, meine Liebe, aber erwarten Sie nicht, dass es Ihnen
jemand dankt.» Herzogin Fanny ging an ihr vorbei in den Salon, und das Licht
leuchtete in ihren Diamantohrringen auf, sodass Cora einen schrecklichen
Augenblick lang dachte, der Kopf ihrer Schwiegermutter hätte Feuer gefangen.
«Beachte sie nicht, Cora.» Sybil
stand neben ihr. «Sie ist verärgert, weil du eine Party gibst, ohne sie um Rat
gefragt zu haben. Ich finde, es sieht alles ganz wunderbar aus. Es dürfte in
ganz London keine Orchideen mehr geben. Wie fortschrittlich von dir, Mrs.
Stanley einzuladen, ich weiß, dass über sie alle möglichen Geschichten im
Umlauf sind, aber ich wollte sie unbedingt kennenlernen, seit ich sie in Lady
Windermeres Fächer gesehen habe.» Cora konnte erkennen, dass Sybil mit den
Augen den Raum absuchte.
«Möchtest du, dass ich dich ihr
vorstelle? Ich bin sicher, dass sie eine Bewunderin immer gern kennenlernt.»
«Nicht
nötig, ich sehe gerade, dass sie sich mit Reggie unterhält.» Sybil rauschte
davon, ihr leuchtend rotes Haar war in der Menge gut zu sehen. Aus dem
geröteten Streifen Haut, der sich zwischen Reggies Kragen und seinem Haar
zeigte, schloss sie, dass er ebenfalls ein Bewunderer von Mrs. Stanley war.
«Euer
Gnaden.» Der Butler stand neben ihr. «Mr. Louvain ist in der Bibliothek, und es
ist alles so arrangiert worden, wie Sie es wünschen.»
«Sagen Sie ihm, dass ich
hinunterkomme, sobald die Gäste alle eingetroffen sind.»
Sie wollte sofort hinuntergehen,
aber sie wusste, dass Herzogin Fanny dann dächte, sie würde ihrem Rat folgen,
und das sollte sie auf keinen Fall denken.
Unten in der Bibliothek betrachtete
Bertha das Porträt ihrer Herrin. Sie hatte recht gehabt mit ihren Vermutungen
über Louvains Absichten. Louvain hatte sie zurückgelehnt auf der grünen
Chaiselongue porträtiert, der eine Arm lag einladend auf der Lehne, der andere
züchtig in ihrem Schoß. Das üppige kastanienbraune Haar fiel ihr über die Schultern,
als hätte sie es gerade gelöst, die Jacke war aufgeknöpft und gab den Blick auf
eine Ahnung von weißer Spitze frei. Es war eine provokante Pose, die andeutete,
dass Cora beim Auskleiden überrascht worden war, aber das Erstaunlichste an dem
Bild war ihr Gesichtsausdruck – als blicke sie direkt aus der Leinwand heraus.
Das einzige Wort, das Bertha einfiel, um es zu beschreiben, war schamlos. Louvain
ließ Cora schamlos aussehen. Ihre Augenlider schienen von den langen Wimpern
hinabgezogen zu werden, ihr
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