Daisy Goodwin
nur, wenn Sie es zulassen, meine Liebe.»
Beunruhigt bemerkte sie, dass Coras Schultern zuckten. Es war unabdingbar, dass
das Mädchen nicht den Kopf verlor. Sie musste jetzt Herrin der Situation
bleiben, sonst würde es Jahre dauern, bis ihre Reputation wiederhergestellt wäre.
Mrs. Wyndham schauderte. Wenn Cora jetzt versagte, wären auch die
Heiratsaussichten von Miss Schiller und ihren Landsmänninnen beeinträchtigt.
Deshalb sagte sie mit einer gewissen Schärfe: «Kommen Sie, Herzogin, Ihre Gäste
warten.»
Und zu ihrer Erleichterung sah sie,
wie die junge Frau ihre Fassung wiedergewann, den Rücken durchdrückte und sich
mit charmantem Blick ihren Gästen zuwandte.
Bertha beobachtete von ihrem Posten an der
Tür aus, wie ihre Herrin auf die Gäste zuging. Sie sah, dass nicht alles gut
war. Bertha hatte bemerkt, was für Blicke die Gäste ausgetauscht hatten, als
das Bild enthüllt worden war, und sie wusste, dass ihre Bedenken wegen des
Porträts begründet gewesen waren. Wenn Miss Cora ihr nur zugehört hätte – aber
es tröstete Bertha nicht, recht behalten zu haben, Miss Cora tat ihr leid. Sie
wollte nicht zurück ins Dienstbotenzimmer gehen, sie wusste, dass sie alle in
dem Skandal schwelgen würden. Sie wollte zur Stelle sein, falls sie gebraucht
wurde. Sie konnte ihre Herrin jetzt nicht mehr sehen und bewegte sich ein Stück
an der Wand entlang. Sie schlüpfte in eine Nische, in der einmal eine Statue
gestanden hatte und die durch einen Samtvorhang verdeckt war. Hinter dem
Vorhang konnte sie ihre Herrin beobachten, ohne selbst gesehen zu werden.
Vor ihr stand ein Paar, Bertha
konnte die Gesichter nicht sehen, erkannte von hinten aber den Herzog.
«So eine intime Pose, was für eine
angenehme Abwechslung von der gewohnten Manier. Ich nehme an, das war Ihre
Idee, Herzog – Sie wollten ein Boudoir-Porträt Ihrer neuen Frau», sagte die
Dame forschend.
«Bei Ihnen klingt es, als hätte ich
im Westflügel einen ganzen Schrank voller Frauen versteckt.» Der Herzog klang
betont locker.
«Und wie
fanden Sie Mr. Louvain? Man hört ja so viele Geschichten. Aber ich vermute,
wenn Sie irgendwelche Zweifel gehabt hätten, dann hätten Sie der Herzogin nicht
gestattet, ihm Modell zu stehen.»
Bertha war ganz starr, als sie auf
seine Antwort wartete. «Wie die meisten Künstler schien er mehr am Geld als an
irgendetwas anderem interessiert zu sein.»
Bertha hörte die Frau lachen. Der
Herzog verbarg seine Gefühle über das Porträt zumindest in der Öffentlichkeit,
aber Bertha bezweifelte, dass er seinen Ärger überwunden hatte. Jim hatte ihr
erzählt, dass der Herzog, wenn er wütend war, gern ein Blatt Papier nahm und
es in so viele einzelne Stücke zerriss, wie er konnte. Er hatte ihr auch
erzählt, dass es nicht leicht war, seinen Herrn morgens zu rasieren, weil sein
Kiefer so angespannt war – er knirschte die ganze Nacht mit den Zähnen. Nein,
Bertha glaubte nicht, dass der Mann ihrer Herrin jemand war, der leicht
verzieh.
Und dann
hörte sie wieder seine Stimme.
«Das warst du.» Diesmal war seine
Stimme leise und vertraulich.
«Ich habe
nur die Tür geöffnet. Sie hat entschieden hindurchzugehen.» Die Stimme einer
anderen Frau, fast flüsternd, eine Stimme, die Bertha kannte, aber nicht
zuordnen konnte.
«Aber
warum?»
«Du weißt, warum.» Es gab eine
Pause. Bertha wollte durch den Vorhang sehen, aber falls der Herzog in ihre
Richtung guckte, würde er sie sofort entdecken.
Sie hörte ein Seufzen und das
Rascheln von Seide.
«Ich ... kann ... das ... nicht ...
ertragen.» Der Herzog sprach die Worte, als würden sie eins nach dem andern aus
ihm herausgeschnitten.
«Wir haben keine Wahl.» Die Stimme
der Frau klang tonlos.
Bertha
hörte ein Murmeln, konnte die Worte aber nicht verstehen. Und dann begann die
Musik wieder zu spielen, und sie hörte nichts mehr. Als sie es nach einer
Minute wagte, durch den Vorhang zu sehen, waren der Herzog und seine
Begleiterin nicht mehr zu sehen.
Cora tat der Kopf weh von der
Anstrengung, die ganze Zeit zu lächeln, als wäre alles in bester Ordnung. Sie
war den neugierigen Blicken mit ihrem amerikanischen Strahlen entgegengetreten
und hatte festgestellt, dass Fröhlichkeit auf das Ausweichen und die
unausgesprochenen Gedanken, die für englische Gespräche so typisch waren, wie
eine Säure wirkte. Wenn sie lächelnd dastand und den Leuten in die Augen sah,
waren sie gezwungen, ihren Blick zu erwidern. Allmählich fühlte sie sich
besser. Mrs. Wyndham
Weitere Kostenlose Bücher