Daisy Goodwin
Maler kam ihr zuvor, indem er ihre Hand an die Lippen
führte.
«Niemand könnte Ihnen gerecht werden,
Herzogin, aber ich habe mein Bestes gegeben.»
Ivo drückte jetzt ihren Ellenbogen.
Cora löste ihre Hand aus der von Louvain und ging weiter.
Ivo flüsterte ihr ins Ohr: «Bitte
versuch dich daran zu erinnern, wer du bist.»
Der Ärger in seiner Stimme war jetzt
unmissverständlich. Cora sah ihn an, aber er hatte sich schon abgewandt.
Es wäre zu
auffällig, ihm jetzt zu folgen. Sie zwang sich zu lächeln, als hätte er ihr nur zärtliche Worte
zugeflüstert, straffte ihre Schultern und nahm ihre Herzoginnenpose ein. «Haben
Sie ihm gesagt, dass ich Sie geküsst habe?» Louvain stand hinter ihr und
flüsterte so nah an ihrem Ohr, dass sie seinen
Schnurrbart spürte.
«Natürlich nicht! Dafür gibt es
überhaupt keinen Grund. Sie haben selbst gesagt, dass es nur dem Bild zugutekommen
sollte.» Immer noch lächelte sie.
«Und das haben Sie mir geglaubt?
Gibt es in Ihrem Land denn keine echten Männer, dass Sie Halunken wie mir glauben?»
«Ich möchte
nicht darüber sprechen, Mr. Louvain. Ich frage mich, ob es nicht ein Fehler
war, Ihnen Modell zu stehen.»
«Wie könnte etwas, aus dem ein
Kunstwerk entsteht, ein Fehler sein? Es ist ein großartiges Bild.» Louvain
griff nach ihrem Arm.
«Mal ganz ehrlich, was dachten Sie, als Sie es das erste Mal sahen?» Er schaute
ihr direkt in die Augen. Sie senkte den Blick. «Es gefiel Ihnen. Sie haben sich
selbst erkannt, oder?»
Seine Dringlichkeit rührte sie. Ihr
wurde klar, dass er recht hatte.
«Ja, da war
... etwas in dem Bild, das ich wiedererkannt habe. Aber vielleicht ist es
etwas, das Sie nicht hätten malen sollen.»
Louvain lachte. «Es gibt in einem
Bild keine Geheimnisse, jedenfalls nicht in einem guten. Und es gibt nichts,
das Sie verbergen sollten, Cora.»
Die Tatsache, dass er sie beim
Vornamen nannte, brachte sie zur Besinnung. Dieses Gespräch sollte nicht
stattfinden, nicht jetzt
und nicht hier. Er setzte eine Vertrautheit zwischen ihnen voraus, die es nicht
geben sollte. Sie versuchte sich zu sammeln und sagte in ihrem freundlichen
Gesellschaftston: «Wissen Sie, Mr.
Louvain, dies ist mein erstes großes Fest. Wenn ich den ganzen
Abend über mit Ihnen rede, wird am Ende die Londoner Gesellschaft nach Hause gehen und denken, dass ich nur
eine weitere ungehobelte Amerikanerin bin. Sie müssen mich also entschuldigen,
Mr. Louvain, es geht nicht anders.» Und damit ließ sie ihn stehen. Sie sah sich
nach Mrs. Wyndham um, und Mrs. Wyndham kam durch den Raum auf sie zu. «Geht es
Ihnen gut, Herzogin? Brauchen Sie frische Luft?», fragte sie voller Besorgnis.
«Ja, etwas frische Luft wäre sicher
gut.»
Auf ein Zeichen von Mrs. Wyndham
öffnete ein Diener das hohe Fenster zum Balkon, und Cora lehnte sich hinaus und atmete erleichtert die kalte
Novemberluft ein. Sie sehnte sich nach einer Zigarette. Schließlich stellte sie
die Frage. «Bitte, Mrs. Wyndham, seien Sie ehrlich mit mir. Ist es eine
Katastrophe?»
Es herrschte Stille, während Mrs.
Wyndham sich ihre Antwort überlegte. «O nein, meine
Liebe, es ist keine Katastrophe. Es wird wohl ein paar Leute geben, die das
Porträt überrascht – die Pose ist für eine
Herzogin recht ungewöhnlich. Wenn Sie mir gesagt hätten, dass Sie Louvain
sitzen» – sie klang jetzt etwas vorwurfsvoll –, «dann hätte ich Sie gewarnt,
denn sein Ruf ist nicht untadelig. Es gab Gerüchte ...» Sie unterbrach sich. «Aber ich kann
mir kaum vorstellen, dass jemand Ihnen einen Skandal anhängen möchte.» Sie
musterte Cora aufmerksam, auf der Suche nach Zeichen von Schuldbewusstsein.
Aber das Mädchen sah vor allem verwirrt aus. Wenn zwischen ihr und Louvain
etwas vorgefallen wäre, hätte sie das Gemälde kaum in aller Öffentlichkeit
enthüllen lassen.
Mrs. Wyndham fuhr munter fort: «Wenn
Sie sich verhalten, als wäre nichts passiert, dann wird auch nichts passiert
sein. Dies ist Ihr Fest, Sie geben den Ton vor. Und wenn ein bisschen geredet
wird – davor müssen Sie keine Angst haben. Solange niemand Sie für langweilig
hält. Aber jetzt müssen Sie sich kümmern. Das wahre Verbrechen ist es, Schwäche
zu zeigen.»
Cora flüsterte: «Mein Mann ist
verärgert. Ich verstehe das nicht.»
Mrs. Wyndham sah sie überrascht an.
Konnte Cora wirklich so naiv sein? «Nun, Louvain hat einen zweifelhaften Ruf,
und Ihr Bild, so reizend es ist, hat etwas sehr Vertrautes, das sich auch
falsch verstehen lässt. Aber
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