Daisy Goodwin
Fanny sah Cora und sagte laut: «Und welche Figur stellen Sie hier dar,
meine Liebe? Rapunzel? Oder Guinevere? Dieses opulente Haar und so ein
reizendes ländliches Kleid. Wirklich, wir sollten uns alle als Figuren malen
lassen.» Cora hörte die Bösartigkeit in ihren Worten und spürte, wie Ivo neben
ihr ganz steif wurde, aber es war Louvain, der das Wort ergriff.
Er deutete eine Verbeugung an. «Nun,
es wäre mir eine Freude, Sie als Kleopatra zu malen, Euer Gnaden.»
Die Herzogin neigte gnädig den Kopf
und lächelte Louvain an. Vielleicht, dachte Cora, war es nicht das Bild, das
ihre Schwiegermutter erzürnte, sondern der Mangel an männlicher Aufmerksamkeit.
Sie trat etwas näher an die Leinwand heran und betrachtete das Bild. Es war
wirklich schmeichelhaft; vielleicht nicht besonders herzoginnenhaft, aber
sicher hätte Ivo lieber dieses – sie sah die warmen Farben ihrer Haut und die
schöne Linie ihres Mundes – als irgendein lebensgroßes herrschaftliches
Gemälde. Sie musste lächeln. Aber gleichzeitig war ihr bewusst, dass sie von
den Gästen um sich herum beobachtet wurde. Etwas an der Stimmung erinnerte sie
an die Nacht, in der ihre Mutter in Flammen aufgegangen war. Es lag ein
Knistern im Raum, das ihr unbehaglich war. Ehe sie entscheiden konnte, ob ein
Triumph oder eine Katastrophe in der Luft lag, stand Charlotte neben ihr und
sagte mit sanfter Stimme: «Sie wirken so natürlich. Fast, als wären Sie gar
nicht gemalt. Ich kann mir kaum vorstellen, wie es Ihnen gelungen ist, so
entspannt auszusehen. Louvain hat mich immer angeblafft, wenn ich meine Pose
einen Moment lang nicht gehalten habe. Aber Sie haben sich wohl hingelegt ...»
Cora sagte,
ohne nachzudenken: «Nun, in meinem Zustand kann es sehr ermüdend sein, allzu
lange stehen zu müssen.» Sie errötete, als ihr klarwurde, was sie getan hatte,
und sie schlug sich die Hand vor den Mund. Sie sah sich um, in der Hoffnung,
dass niemand etwas mitbekommen hatte, sie wollte es noch nicht alle wissen
lassen. Sobald man davon wusste, würde von ihr erwartet werden, sich bis zur
Geburt nach Lulworth zurückzuziehen, und sie wollte unbedingt noch in London
bleiben.
Sie
bemerkte, dass Charlotte nicht sie, sondern Ivo ansah, der sehr ruhig dastand
und konzentriert in sein Champagnerglas starrte. Aber sie hatte die Rechnung
ohne ihre Schwiegermutter gemacht, die nun laut und unmissverständlich sagte:
«Cora, heißt das, es steht ein glückliches Ereignis bevor?» Coras Erröten war
Antwort genug. Herzogin Fanny sah ihren Sohn vorwurfsvoll an. «Das hättest du
mir sagen können, Ivo.»
«Ich glaube, es ist üblich, sechs
Monate abzuwarten, ehe man es verkündet. Außerdem war es wirklich an Cora, es
dir zu sagen», entgegnete Ivo eisig, und Cora fügte hinzu: «Ich habe es noch
niemandem außer Ivo gesagt. Zu Hause in Amerika behandeln wir diese Dinge sehr
vertraulich. Selbst Mutter habe ich erst letzte Woche geschrieben.»
«Aber in Ihrem Land, liebe Cora,
setzt man auch keine Herzöge in die Welt!» Die doppelte Herzogin sah sie erstaunt
an.
Charlotte war bei diesem Wortwechsel
still geblieben. Cora fragte sich, ob es daran lag, dass sie kinderlos war, und sie
verspürte Mitleid mit ihr. Charlotte presste die Hände aneinander, als hätte sie Sorge, sie
würde sonst etwas kaputt machen. Schließlich war es Odo, der etwas sagte.
«Erlauben Sie mir, im Namen von Charlotte
und mir zu gratulieren. Was für eine Erleichterung, dass es eine neue Generation
von Maltravers geben wird. Und was für ein Vergnügen, Ihr Porträt zu sehen,
Herzogin, zumal es ein so inniges Bild ist.» Odo nahm Charlotte beim Ellbogen
und führte sie weg. Aber Charlotte blieb stehen und wandte sich noch einmal zu
der Gruppe neben dem Porträt um.
«Wie klug von Ihnen, Mr. Louvain,
die Herzogin als Jungfrau in Erwartung zu malen. Ihnen entgeht offenbar
nichts.»
Der Herzog bedeutete dem Butler, das
Gemälde zu entfernen. «Cora, ich glaube, wir vernachlässigen unsere Gäste.
Mutter, Mr. Louvain, entschuldigen
Sie uns?» Ivo sah Cora nicht direkt an, legte aber die Hand auf ihren
Ellenbogen, damit sie mit ihm ging. Sie blieb einen Moment stehen und versuchte
zu begreifen, was er gesagt und was er nicht gesagt hatte.
«Cora!» Ivos Stimme war leise, aber
drängend. Sie ging los, aber als sie an Louvain vorbeikam, blieb sie stehen.
«Danke, Mr. Louvain. Das Bild ist
genau so, wie Sie es versprochen haben.» Sie reichte ihm die Hand und wollte
seine schütteln, aber der
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