Daisy Goodwin
heraus. Sie brauchte beide Arme, um es hochzuheben, da der Rock aus schwerem Duchessesatin mit
einem aufwendig gearbeiteten Besatz war. Bertha sah auf die Reihe winziger Perlmuttknöpfe am Rücken des
Oberteils und seufzte. Dies war kein Kleid, das sich in Eile anziehen ließ.
Ihre Herrin stand in einem
schäumenden Meer aus Baumwolle und Spitze, sah sich im Standspiegel an und zog einen
Schmollmund. Sie wand sich in die Unterröcke, die Bertha bereithielt.
Wenigstens entsprach das blaue Kleid der letzten Mode und hatte keine
ausgeprägte Tournüre; es gab nur einen kleinen Bausch aus Rosshaar, der dafür
sorgte, dass der Rock hinten stand. Es konnte eine halbe Stunde dauern, die
Tournüre zu richten, das wusste Bertha aus Erfahrung. Dieses Kleid hatte
neuartige Ärmel, die sich an der Schulter bauschten wie ein Ballon, am Unterarm
dann aber eng anlagen. Der Rock fiel glockig und hatte einen weiten Saum.
Diese Proportionen sollten die Taille besonders schmal wirken lassen, aber Cora
zog unzufrieden an den Bändern.
«Bertha, kannst du mich nicht etwas
fester schnüren? Ich glaube, ein Zoll geht noch.»
«Nicht, wenn Sie rechtzeitig zum
Essen unten sein wollen und womöglich noch etwas essen möchten.»
«Oh, ich möchte nicht essen ... Ach,
Bertha, errätst du nicht, was geschehen ist?»
Die Zofe sah Cora mit festem Blick
an. Das Mädchen hatte mehr Farbe als gewöhnlich, ihr Mund war so rot, als hätte
sie Himbeeren gegessen.
«Errätst du es nicht? Der Herzog,
Ivo, er hat mir einen Antrag gemacht! Wir waren in der Kapelle, und da ist es
plötzlich passiert.»
«Und was haben Sie geantwortet?»
Bertha schloss den neunzehnten Knopf.
«Was glaubst du denn, was ich
geantwortet habe? Ja, natürlich.»
Bertha spürte, wie ihr die Knie
wegsackten und sie schwer auf den Boden fiel. Sie war nicht ohnmächtig geworden,
es war eher, als hätte der Boden unter ihren Füßen einfach nachgegeben.
«Was ist denn los, Bertha? Geht es
dir gut? Soll ich mein Riechsalz holen?» Cora war aufrichtig besorgt. Bertha
war ihre Vertraute und der einzige Mensch, der in der Lage war, ihr die Haare
so zu machen, wie sie sie heute Abend tragen wollte.
Bertha sah sich verblüfft um und zog
sich dann hoch auf Coras Bett.
«Mir geht es gut, Miss Cora, mir war
nur schwindelig, das ist alles. Ich nehme an, wenn Sie Herzogin sind und so,
dann brauchen Sie eine schicke französische Mamsell, kein Findelkind aus
Carolina.»
«Oh, sei doch nicht so dramatisch. Wenn
ich Herzogin bin, kann ich haben, wen ich will. Ich werde mich nicht ändern,
nur weil ich heirate, abgesehen davon, dass Mutter nicht mehr die ganze Zeit an
mir herumnörgeln kann. Geht es dir jetzt besser? Ich muss wirklich nach unten
und meine künftige Schwiegermutter kennenlernen.»
Bertha
stand langsam auf und schloss ungeschickt den letzten Knopf in Coras Nacken.
Sie befreite ein paar braune Locken aus dem steifen Kragen. Sie wusste, warum
Cora dieses Kleid gewählt hatte, sie spürte förmlich die Röte unter der dünnen
Seide. Als sie fertig war, entwand Cora sich ihren Händen und eilte zu dem
Standspiegel, um sich anzusehen. Sie brauchte sich weder auf die Lippe zu
beißen noch in die Wangen zu kneifen, sie wirkte lebendig genug. Bertha sah,
wie Cora sich vorbeugte und ihr Abbild in dem fleckigen Spiegel küsste. Cora
sah im Spiegel, dass Bertha ihr zuguckte, und sie lachte albern.
«Wünsch mir Glück, Bertha. Jetzt
fängt es an, alles», und Cora rauschte aus dem Raum, hinaus in ihre Zukunft.
Bertha sah ihr nach und ging dann zum Fenster und drückte ihr Gesicht gegen
das kalte Glas. Vom Meer zog Nebel auf und verhüllte die Aussicht. Sie sah, wie
das Glas von ihrem warmen Atem beschlug, und ohne nachzudenken, drückte sie
die schwarze Perle, die nah an ihrem Herzen lag.
Cora stand oben an der Treppe und
betrachtete in einem spiegelnden Wandleuchter ihr Bild. Fast vollkommen, aber
... Sie sah sich um, ob auch niemand in der Nähe war, und richtete dann ihren
Busen unter der blauen Seide. Sie wollte gerade hinuntergehen, als sie eine
Stimme so selbstbewusst durch die staubige Ruhe des Hauses schneiden hörte,
dass Cora wusste, es konnte sich nur um die doppelte Herzogin handeln.
«Ivo, Darling, wie schön, wieder in
Lulworth zu sein. Ich hatte fast vergessen, wie aufregend der Blick aufs Meer
ist, wenn man vom Bahnhof über die Hügel kommt. Aber du siehst blass aus,
Darling. Ich hoffe, du nimmst deine Verantwortung nicht zu ernst. Du hast dich
hier unten schon
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