Daisy Goodwin
herauszuhören.
«Ich habe
noch keine englische Hochzeit erlebt, Herzogin, vielleicht sind das
schlichtere Angelegenheiten. Hier ist es Sitte, mit allen Beteiligten der
Hochzeit zu proben, inklusive des Bräutigams.» Mrs. Cash versuchte ihren Ärger
zu unterdrücken, jedoch ohne Erfolg. Sie sah zu dem großen Buntglasfenster
über dem Altar hinauf, als erwarte sie von dort eine Eingebung. Sie hatte
bei so vielen Hochzeiten der Gesellschaft zu diesem Fenster emporgesehen und
sich vor dem Altar ihre Cora vorgestellt, dass sie jede Einzelheit vor Augen
hatte. Es war keine Frage gewesen, welche Kirche sie wählen würden. Die
elegantesten Hochzeiten hatten immer hier in der Trinity Church stattgefunden.
Etwas weiter im Norden der Stadt gab es größere Kirchen, aber Mrs. Cash hatte
sie nicht mal in Erwägung gezogen. Trinity war die Kirche, die von den Astors,
den Rhinebackers, den Schoonmakers und dem Rest des Alten New York besucht
wurde. Obwohl niemand von ihnen, dachte Mrs. Cash erfreut, die Kirche jemals in
solchem Glanz gesehen haben dürfte.
Das Gebäude
hatte, da es aus heimischem Granit erbaut war, etwas Düsteres, aber die großen
Bögen aus Efeu und Jasmin, die über der Gemeinde hingen und deren Form den
Steinbögen weiter oben nachempfunden war, machte aus der strengen Kirche fast
so etwas wie ein Boudoir. Besonders zufrieden war Mrs. Cash mit dem Teppich
aus Goldbrokat, der auf ihren Wunsch hin vom Altar bis in den Mittelgang
führte. Hier und dort war in Silber das Monogramm der Braut daraufgestickt.
Selbst die Herzogin, die die Kirche von außen für recht bedrohlich befunden
hatte, hatte bei diesem Anblick hörbar eingeatmet. Mrs. Cash sah zu der Herzogin
hinüber, die unter dem großen, aus Blumen gebundenen Wappen der Maltravers auf
der Seite des Bräutigams saß, offenbar vollkommen unbekümmert wegen der Abwesenheit
ihres Sohnes. Mrs. Cash spürte, wie ihre vernarbte linke Gesichtshälfte schmerzte.
Als der
Herzog und seine Gesellschaft eingetroffen waren, hatte sie ihnen einen
Programmablauf gegeben, der keinen Zweifel daran ließ, dass die Probe ein
formelles Ereignis war. Schlimm genug, dass er fast sämtliche Dinner versäumt
hatte, bei denen sie ihn in die New Yorker Gesellschaft hatte einführen wollen,
aber dass der Bräutigam und der Trauzeuge die Probe verpassten, das war
wirklich zu viel. Der Bischof war da, die Brautjungfern und die anderen
Trauzeugen, sogar die Herausgeberin von Vogue; nur der Bräutigam
fehlte. Und die Herzogin, die es wirklich besser wissen sollte, verhielt sich,
als wäre dies nur wieder irgendein amerikanischer Blödsinn. «Ivo würde sich zu
Tode schämen, wenn er wüsste, dass Sie alle hier auf ihn warten.» Sie betonte
zu Tode auf eine Weise, die nahelegte, dass das Gegenteil der Fall wäre.
«Ich bin sicher, er hatte keine Ahnung, dass es sich um ein solches Ereignis
handelt. Wahrscheinlich dachte er, es wäre eine Angelegenheit nur für die
Frauen.»
Niemand
sagte etwas.
Die
Herzogin schenkte ihrer künftigen Schwiegertochter, die auf den Stufen zum
Altar neben ihrem Vater stand, ihr schönstes Lächeln. «Keine Sorge, Cora. Ich
bin sicher, er wird morgen daran denken zu erscheinen.»
Cora versuchte ebenfalls so forsch
zu lächeln wie die Herzogin, aber ihre Augen brannten. Was, wenn Ivo seine
Meinung geändert hatte? Sie zwang sich, so zu klingen, als fände sie seine
Abwesenheit, wie die Herzogin, schlicht amüsant. «Oh, das hoffe ich auch,
Herzogin. Es wäre so lästig, all die Hochzeitsgeschenke zurückschicken zu müssen,
und all die Blumen zu verschwenden wäre geradezu kriminell.» Sie deutete auf
das Orchideenmeer, die Tuberosengirlanden und die mit Myrten und Jasmin
umrankten Säulen. Die Luft in der Kirche war so mit Blumenduft angereichert,
dass Cora das Gefühl hatte, sie würde aufgefangen wie in einem Kissen, wenn
sie sich einfach nach hinten fallen ließe.
Die Herzogin musterte sie
anerkennend. Wenn nur die Mutter aufhören würde, so einen
Wirbel zu machen. Sie beschloss, diese Sache zu einem Ende zu bringen. «Wenn
ich Ivo sehe, werde ich ihn rundheraus schelten, weil er so unbedacht gehandelt
hat, aber ich für meinen Teil bin entzückt, die Kirche und den wunderbaren
Blumenschmuck mit Muße bewundert haben zu dürfen. Ich glaube nicht, dass ich
schon einmal solch eine Fülle von Blumen und ein so geschmackvolles Dekor
gesehen habe. Bitte sagen Sie mir, Mrs. Cash, dass dies selbst für New Yorker
Verhältnisse außergewöhnlich ist.
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