Daisy Goodwin
Fenster offen
gelassen? Sie ging durch den Salon ins Schlafzimmer, um das Fenster zu
schließen, als sie Cora im Halbdunkel sitzen und eine Zigarette rauchen sah.
Sie wusste nicht, was sie mehr überraschte, dass Cora rauchte oder dass sie
allein war.
«Entschuldigung, Miss Cora, ich
wusste nicht, dass Sie hier sind. Soll ich das Fenster schließen? Es hat sich
ziemlich abgekühlt. Was möchten Sie heute zum Dinner tragen? Soll ich das Kleid
aus fliederfarbener Seide herausnehmen? Das haben Sie noch gar nicht getragen.»
Aber nicht
mal die Aussicht auf das neue Kleid brachte Cora dazu, sich zu erheben. Sie sog
den Rauch ihrer Zigarette ein (Woher hatte sie die?) und blies ihn aus dem
Fenster.
Bertha trat
zum Schrank, um das fliederfarbene Kleid herauszunehmen, das nach Lavendel und
Zedernholz duftete. Jedes Kleid von Worth hatte eine Duftkugel und dadurch
sein ganz eigenes Parfum.
«Oh, lass, Bertha, ich glaube, ich
gehe heute nicht. Ich habe Kopfweh.»
«Das wird
der Madam aber nicht gefallen.»
«Ich weiß,
aber ich möchte die alle heute Abend nicht se hen.» Sie warf ihre Zigarette
aus dem Fenster, winzige Funken stoben in die Abendluft. Und dann begann sie
zu reden, den Blick niemals auf Bertha, sondern aus dem Fenster gerichtet.
«Ich war vorher so sicher ... wegen
Ivo. Wenn wir in Lulworth zusammen waren, war das so ein warmes Gefühl, auch
wenn ich ein bisschen Angst hatte. Ich habe mir so sehr gewünscht, dass er hier
ist, aber seit er nach Amerika gekommen ist ... ist er nicht mehr derselbe. In
England hat er mich die ganze Zeit berührt, ich meine, er konnte kaum neben mir
stehen, ohne seine Hand auf meinen Arm oder meine Taille zu legen, und wenn wir
einmal allein waren, hat er mich geküsst – manchmal so, dass ich ihn bremsen
musste. Aber seit er hier ist, hat er mich nicht ein einziges Mal berührt,
nicht richtig, es sei denn, es wurde von ihm erwartet. Ich habe versucht, ihn
allein zu erwischen, aber es ist immer jemand bei ihm, und jetzt ist er für
eine ganze Woche fort. 0 Bertha, glaubst du, er kommt wieder?»
Cora tat Bertha ein bisschen leid.
Sie war daran gewöhnt, dass alles so lief, wie sie es wollte, aber den Herzog
konnte sie nicht steuern. «Ja, das glaube ich, Miss Cora. Und was das andere
betrifft: Bald werden Sie auf Hochzeitsreise sein und können so viel zu zweit
sein, wie Sie möchten.»
«Ja, aber genau davor habe ich
Angst. Was, wenn wir uns nicht mögen? Was, wenn das Ganze ein Fehler ist? Heute
Morgen kam Teddy her und hat angeboten, mich fortzubringen, und das Schlimme
ist, dass ich einen Augenblick lang in Versuchung war. Teddy liebt mich, das sehe
ich in seinem Gesicht, aber wenn ich Ivo ansehe, weiß ich nicht, was er
empfindet.»
Bertha
wusste nicht, was sie sagen sollte.
«In
Lulworth war es so leicht, da haben wir uns verstanden. Aber hier ist alles so
anders. Jeder denkt, er heiratet mich wegen meines Geldes, sogar Mutter. Aber
ich weiß, dass er mich am Anfang gemocht hat. Das weiß ich genau.»
Coras Stimme klang nicht so
überzeugt wie ihre Worte. Bertha blieb stumm. Sie fragte sich, ob Cora von dem
Streit wegen des Ehevertrags wusste.
«Machen Sie sich keine Sorgen, Miss
Cora, jede Braut bekommt vor der Hochzeit Zweifel. Das ist ganz natürlich.
Warum lassen Sie mich Ihr Haar nicht ein bisschen mit Eau de Cologne benetzen,
und dann können Sie sich ankleiden und zum Dinner hinuntergehen. Sie möchten
doch nicht, dass all die englischen Ladys fragen, wo Sie abgeblieben sind.»
«O Gott, als Teddy da war, ist Sybil
reingekommen. Es wird besser sein, ich gehe hinunter und bin fröhlich, sonst
sagt sie noch etwas zu Mutter. Das arme Mädchen, ich musste ihr zwei Kleider
leihen, die sie zum Dinner tragen kann. Ich verstehe nicht, warum die Herzogin
ihr nicht ein paar schöne Sachen kauft.»
Der bedauernswerte Zustand der
Garderobe des englischen Mädchens schien Cora aufzumuntern. Bertha half ihr
schnell in das fliederfarbene Kleid. Wenn sie erst einmal unten war und
bewundert wurde und Wirbel um sie gemacht wurde, würde es ihrer Herrin
bessergehen, das wusste sie. Um sie abzulenken, während sie ihr die Haare
machte, erzählte Bertha Cora von den englischen Dienstmädchen und ihrem
erhabenen Getue. Cora lachte, als Bertha ihr beschrieb, wie sie versucht
hatten, ihre Verwunderung über die Größe und Pracht von Coras Brautausstattung
zu verbergen. Sie hatten hochmütig geguckt und sich laut gefragt, ob es in
Paris jetzt wohl überhaupt noch Kleider
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