Daisy Goodwin
eine
Kaschmirstola.
Winthrop sah den jüngeren Mann
skeptisch an. Er wusste, dass Herzöge amerikanische Erbinnen nicht nur aus
Liebe heirateten; außerdem hatten von dieser Verbindung beide Seiten etwas,
auch wenn Cora das nicht zugeben würde. Er konnte ihr Vermögen schützen, aber
er fragte sich, ob er nicht im selben Zug ihre Ehe verurteilte; er dachte, wie
sehr es ihm missfallen würde, seine Frau um Geld zu bitten. Er beschloss, dem Stolz des
Herzogs ein Zugeständnis zu machen – sein Vater, der
Goldene Müller, hatte ihm beigebracht, dass man ein schlechter Geschäftsmann
war, wenn man die unterlegene Partei
nicht in Würde ziehen ließ. Er würde dem Herzog als Hochzeitsgeschenk eine
gewisse Summe überschreiben, aber erst am Hochzeitstag. Er hatte dem Herzog
noch nicht verziehen, dass er annahm, Cora würde das bessere Geschäft machen.
Aber die Gedanken über den Sohn
verflogen, als die Mutter ihm ins Ohr gurrte, wie prächtig Conyers sei und wie
gern sie ihm den Prinzen von Wales vorstellen würde. Als er ihr in die Kutsche
half, bemerkte Winthrop auf dem schmalen Streifen Haut, der zwischen dem Ärmel
und dem Handschuh der Herzogin zu sehen war, ein blaues Muster. Bei jedem
anderen hätte er geschworen, dass es eine Tätowierung war.
Die Herzogin sah seinen Blick und
lachte heiser. «Wie ich sehe, haben Sie die Schlange entdeckt, Mr. Cash.» Sie
schob ihren Handschuh hinunter, um ihm einen genaueren Blick auf die
Tätowierung zu erlauben, die sich um ihr Handgelenk schlängelte. Das Ende der
Schlange verschwand auf der zarten weißen Haut des Handballens in ihrem Maul.
Sie war fein gearbeitet, Welten entfernt von den Herzen, die den Bizeps von Mr.
Cashs Müllerarmen verziert hatten.
«Es ist sehr ... besonders», sagte
er.
«Sie haben ja keine Ahnung, wie wahr
das ist. Es existieren nur vier Tätowierungen dieser Art. Und wenn Sie nach
Conyers kommen, erkläre ich Ihnen ihre Bedeutung.»
«Ich weiß nicht, ob ich so lange
warten kann.» Winthrop fühlte sich von der Herzogin und ihren Geheimnissen unangemessen erregt, aber der Moment
wurde von seiner Frau, seiner Tochter und einer Schar Brautjungfern
unterbrochen, die sich über die Kälte beschwerten und dringend eine Kutsche
benötigten. Als endlich alle Frauen einen Platz hatten, war Winthrop von der
Herzogin getrennt, aber die Tätowierung hatte er immer noch vor Augen. Er
empfand plötzlich Begehren, in das sich so etwas wie Alarmiertheit mischte. Ob
Cora schon bereit war für diese Welt zusammengerollter Schlangen und geheimer
Symbole?
Das Probedinner sollte an diesem Abend
stattfinden, selbst wenn der Herzog und sein Trauzeuge bisher noch nicht gesichtet
worden waren.
Nur die Herzogin war vollkommen
gelassen. Als sie vor dem Dinner in den Salon kam, ließ sie ihren Blick über
die Hochzeitsgesellschaft schweifen und sagte gedehnt mit ihrer kehligsten
Stimme: «Das ist ja wie Hamlet ohne Prinz. Es ist wirklich ungezogen von
Ivo, seine Pflichten so zu vernachlässigen.» Aber ihr Lächeln ließ vermuten,
dass sie das Gefühl hatte, ihre eigene Anwesenheit gleiche das Nichterscheinen
ihres Sohnes mehr als aus. Nur Winthrop lächelte ihr mit aufrichtiger Wärme im
Blick zu.
Cora versuchte, sich auf ihre
Brautjungfern zu konzentrieren, die sie über England ausfragten. Wann würde
sie bei Hofe vorgestellt werden? Wie viele Zimmer hatte Lulworth? Wie würden
die Menschen sie anreden? Waren alle Engländerinnen so groß wie Lady Sybil?
Cora antwortete so gut sie konnte und freute sich durchaus auf die Gesichter ihrer
Brautjungfern, wenn sie erst feststellen würden, dass ihr künftiger Gatte nicht
nur ein Herzog, sondern auch ein gutaussehender Mann war. Aber ihr Lächeln
wirkte immer angespannter, als die letzten Gäste eintrafen – von Ivo immer
noch keine Spur. Schließlich verkündete ihre Mutter, dass sie nun zum Dinner
schreiten müssten. Cora versuchte zu strahlen, gab sich unbesorgt und erklärte,
dass Ivo sich wahrscheinlich in der Uhrzeit geirrt habe, da man in England
nicht vor acht Uhr zu Abend esse.
«Ach,
Männer und ihre Jagd», sprang ihr die doppelte Herzogin bei. «Wir sollten
dankbar sein, dass es etwas gibt, was sie beschäftigt, sodass wir sie nicht
immer um uns haben müssen. Wirklich, einen Mann, mit dem ich jeden Tag zu
Mittag essen müsste, könnte ich kaum ertragen.»
Winthrop lachte, aber Coras Lächeln
wirkte gequält, und das ihrer Mutter zeigte sich gar nicht.
Cora ging
mit Sybil zum Dinner, da ihnen beiden
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