Daisy Goodwin
eine Stellung im Savoy bekommen
könnte und sie beim Putzmacher arbeiten würde, könnten sie es sich leisten zu
heiraten. Und eine Ehe war das, was Bertha wollte, nicht diese Fummelei im Flur
und im Gebüsch. Sie mochte Jims Küsse, seine Hände auf ihrem Körper, aber sie
hatte nicht die Absicht, Weiteres geschehen zu lassen, ehe sie einen Ring am
Finger hatte.
Heute hatte Bertha die Chance, Jim
von der Idee mit dem Savoy zu erzählen. Sie reisten zusammen nach London, allein,
da sie die einzigen Bediensteten waren, die der Herzog und die Herzogin aus
Dorset mitnahmen. Mrs. Cash hatte, als sie das Haus kaufte, auch das komplette
Personal eingestellt, samt einem französischen Koch und einer Schweizer
Wäschemagd. Aber Berthas Hoffnung auf ein Gespräch mit Jim schwand, als sie
sah, dass sie die Einzigen in ihrem Abteil dritter Klasse waren. Kaum waren
die Türen geschlossen, verdunkelte Jim das Abteil und stürzte sich auf sie.
Bertha versuchte ihm zu widerstehen, aber er war so süß und entschlossen, dass
sie bald keine Lust mehr hatte, irgendetwas anderes zu tun, als den Moment zu
genießen. Und später, als Leute zustiegen, war sie zu sehr
damit beschäftigt, sein Bein an ihrem zu spüren und sich jedes Mal, wenn der
Zug durch einen Tunnel fuhr, von ihm küssen zu lassen, um an irgendetwas zu
denken. Also hatte sie vorgeschlagen, dass sie vom Bahnhof zu Fuß in die
Cleveland Row gingen, statt den Hansom zu nehmen. Der Fußweg wäre eine gute
Gelegenheit, um sich ungestört zu unterhalten.
Aber Jim
war aufgeregt, weil er in London war. Er schnupperte in der Luft herum wie ein
Hund. Als sie über die Waterloo Bridge gingen, war er bezaubert von dem Parlament
auf der einen und St. Paul auf der anderen Seite. Er schenkte Bertha einen
Strauß Veilchen, den er einer Zigeunerin abkaufte. Die alte Frau sagte ihm, er
hätte ein glückliches Gesicht, sah dabei aber Bertha an. Obwohl London in der
Hinsicht schon besser war als New York, niemand verspottete sie hier auf der
Straße. Bertha wusste, dass Jim diese Dinge nicht bemerkte; das liebte sie an
ihm – er hielt sie für wunderbar und erwartete, dass jeder andere das genauso
sah. Sie gingen über den Trafalgar Square und den Strand entlang, bis sie zum
Savoy Theatre und dem Hotel daneben kamen.
Sie zeigte darauf. «Da zahlen sie
gute Löhne, weißt du das? Wir haben in unserer ersten Woche in London dort
gewohnt, und der Oberkellner hat mir erzählt, dass er alles in allem hundert
Guineen bekommt, zusammen mit dem Trinkgeld.» Bertha wies Jim auf einen
prächtig gekleideten Angestellten hin.
«Aber es
muss schwer sein, sich an so viele verschiedene Leute zu gewöhnen. Jeder will
es anders haben. Seine Gnaden ist weiß Gott schon schlimm genug mit seinen
gestärkten Kragen und dann wieder nicht gestärkten Kragen und dem Badewasser,
das genau so und so sein muss – stell dir vor, wie es sein muss, jede Woche
einen neuen Herrn zu haben, und einige sind auch noch Ausländer.» Jim
befingerte seinen eigenen gestärkten Kragen.
«So schlimm sind Ausländer aber gar
nicht, oder, Jim?» Bertha hakte sich bei ihm ein. Er lächelte sie an. «Manche
sind in der Tat ganz erträglich.» Er deutete mit dem Kopf in Richtung des
Hotels. «Das stellst du dir also für mich vor? Könnte es so gehen?»
«Wenn du dort arbeiten könntest und
ich eine Stellung beim Putzmacher bekomme, hätten wir ein Auskommen.»
Jim blieb
stehen und sah sie an. Bertha wurde klar, dass sie zu weit gegangen war, und
sie versuchte es mit einem Lachen abzutun. Vielleicht hatte Jim noch gar nicht
vor, sie zu heiraten.
«Wenn wir zu spät kommen, verlieren
wir beide unsere Stellung und brauchen neue Arbeit!», sagte sie und zog an
seinem Arm. Am Rand des Strand hielt ein Bus. «Komm, das geht schneller als Laufen.»
Sie sprangen auf das hintere Trittbrett und stiegen die Treppe zum Oberdeck
hoch. Oben war es kalt, aber der Mief unten war unerträglich. Sie setzten sich
auf die freien Plätze ganz vorn. Sie betrachtete Jims Profil; hinter ihm
befand sich ein Plakat, das für Seife warb: Für einen perlenweißen Teint.
«Entschuldige, Jim, ich wollte
nichts voraussetzen.» Sie legte die Hand auf seinen Arm. Er drückte sie zur
Antwort, und sie schwiegen, bis der Bus die Pall Mall erreichte.
Als sie die Cleveland Row
hochgingen, sagte Jim langsam: «Es ist ja nicht so, dass ich nicht mit dir
zusammen sein will, Bertha, aber ich war immer Bediensteter, ich kenne nichts
anderes. In Sutton Veney war ich
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