Daisy Goodwin

früh für einen Besuch, aber Cora hatte in ihrem
Brief angedeutet, dass sie ein tête-à-tête wünschte. Mrs. Wyndham kannte das
Haus gut: Einst hatte sie einige ihrer amerikanischen Schützlinge dort
untergebracht, und sie hatte eine ansehnliche Provision erhalten, nachdem sie
Mrs. Cash überzeugt hatte, es für ihre Tochter zu kaufen.
    Cora stand
oben an der langen Marmortreppe. Als Mrs. Wyndham ihr entgegenging, sah sie
sofort, dass das Mädchen nicht mehr die war, die sie im letzten Jahr kennengelernt
hatte. Einige dieser Veränderungen waren physischer Art; Mrs. Wyndham
vermutete, dass die Herzogin inzwischen schwanger war. Aber irgendetwas hatte
ihr Selbstbewusstsein angekratzt. Ihr fröhliches Strahlen war verschwunden.
Mrs. Wyndham war überrascht, sie hatte Cora nicht für eine Frau gehalten, die
sich von der Ehe verändern ließ, sie hatte immer so beherrscht gewirkt.
    «Vielen Dank, dass Sie mich
besuchen, Mrs. Wyndham», sagte Cora.
    «Oh, meine liebe Herzogin, Sie
können sich ja nicht vorstellen, wie erfreut ich war, als ich Ihre Nachricht
bekam. Ich bin hergeeilt, sobald es der Anstand zuließ. Ich hoffe, das Haus
gefällt Ihnen. Es dürfte kaum möglich sein, in London eine noch elegantere
Straße zu finden. Und wie geht es dem Herzog? Ich höre, in Irland gab es
Ärger.»
    «Ja, es gab einen Mietstreik, und
der Verwalter wurde mit einer Schusswaffe bedroht. Ivo kam ganz
niedergeschlagen zurück. Ich denke, er sollte die Güter in Irland verkaufen und
etwas in Schottland kaufen, aber er möchte nicht auf mich hören.» Cora sagte es
leichthin, doch aus ihrem Ton sprach Gereiztheit.
    «Aber man
kann nirgendwo so gut angeln wie auf Dunleary. Das würde kein Sportsmann
aufgeben. Sie wissen doch, wie viel den Gentlemen an ihrem Sport liegt.» Mrs.
Wyndham lächelte wehmütig, und ihr Blick sollte den Gedanken an ihren
verstorbenen Ehemann vermitteln, der bei der Jagd gestorben war. Aber das
entging Cora.
    «Ivo liegt sehr viel daran. Er hat
unsere Hochzeitsprobe verpasst, weil er partout auf einen Jagdausflug musste.
Meine Mutter war entsetzt. Amerikanische Männer lieben ihren Sport auch, doch
sie sind beschäftigt, sie können nicht einfach mitten in der Woche losfahren.
Gerade heute hat Ivo sich auf den Weg nach Windsor gemacht, um sich Poloponys
anzusehen.»
    «So ein edles Spiel, ich hoffe, er
passt auf sich auf. Ich erinnere mich daran, was mit seinem armen Bruder
passiert ist.» Eine Pause trat ein, dann bedeutete Cora Mrs. Wyndham, sich auf
einen der Louis-Sessel am Feuer zu setzen (Mrs. Cash hatte sie aus Amerika
schicken lassen).
    «Interessant,
dass Sie Ivos Bruder erwähnen, Mrs. Wyndham. Ich weiß so wenig über Ivos
früheres Leben. Und er spricht so selten darüber. Kannten Sie die Familie gut?»
    Mrs. Wyndham senkte den Blick, sie
hasste es, zugeben zu müssen, dass sie etwas nicht wusste.
    «Gut nicht
gerade, aber ich habe die Warehams dann und wann in London gesehen, und ich war
bei Charlotte Vanes Debütantinnenball, den natürlich die Herzogin ausgerichtet
hat. So ein hübsches Mädchen, sie hat es gut gemacht, unter den Umständen. Odo
Beauchamp ist reich und unabhängig, auch abgesehen von dem, was er von seinem
Vater erben wird.» Mrs. Wyndham bemerkte, dass Cora aufmerkte, als sie
Charlottes Namen erwähnte.
    «Sie sagen, Charlotte Vane hat es
gut gemacht, unter den Umständen. Unter welchen Umständen denn?»
    «Oh, bei
dem ganzen Pech, das sie hatte. Ihr Vater war ein Spieler und hat alles
verloren. Sie hatte Glück, dass die Herzogin sie aufgenommen hat, nachdem ihre
Mutter starb, ich weiß nicht, was sie sonst hätte machen sollen. Viel zu
hübsch, um Gouvernante zu werden. Aber die Herzogin und Charlottes Mutter waren
Cousinen, auf der Laycock-Seite, und ich nehme an, da sie keine Tochter hatte,
dachte sie, es wäre schön, ein Mädchen zu haben, das man hübsch anziehen kann.
Sie war sehr gut zu Charlotte, ich wage zu sagen, dass sie ihr sicher etwas
vermacht hätte, wenn sie gekonnt hätte. Stattdessen hat sie das Nächstbeste
getan und dafür gesorgt, dass sie gut heiratet. Odo ist nicht jedermanns
Geschmack, aber er ist ganz vernarrt in Charlotte und liest ihr jeden Wunsch
von den Augen ab. Natürlich hätte sie bei ihrem Aussehen etwas Besseres als
einen Baronet bekommen können, aber lieber einen Baronet mit Geld als einen
Marquess mit Schulden.» Mrs. Wyndham suchte in ihrem Pompadour nach ihrer
Lorgnette, damit sie besser sehen konnte, welche Wirkung ihre