Daisy Sisters
fürchten müsste, auch wenn sie sich nicht direkt danach sehnt. Es gehört eben dazu …
Eines Tages fragt er sie, ob sie Lust habe, zum Essen zu ihm nach Hause zu kommen. Es ist Sonntag, sie haben gefrühstückt, sitzen auf den ersteigerten Möbeln und rauchen. Sie weiß, dass er bei seinen Eltern in einem der westlichen Teile der Stadt wohnt, in Norrby.
»Heute«, sagt er. »Wir essen meistens um fünf Uhr.«
»Wer ist denn da?«, fragt sie.
»Vater und Mutter«, sagt er. »Und wir beide. Mutter möchte gern, dass du kommst.«
»Und dein Vater?«
»Er …«
»Was?«
»Er denkt wie Mutter.«
Sie wohnen in einer Dreizimmerwohnung vom Mieter-Bausparverein. Es riecht nach Küchendunst und Hund. Ein Rauhaardackel saust direkt auf Eivor zu, als sie hinter Jacob in den Flur kommt. Er scheucht den Hund fort, und da stehen seine Eltern in der Tür und schauen sie an.
»Es ist ein schlimmer Hund«, sagt Jacobs Vater, Artur, und streckt ihr die Hand entgegen.
Eine gewaltige Tatze hat er, Eivors Hand verschwindet beinahe darin. Artur Halvarsson ist auch ein gewaltiger Mann, über eins neunzig groß, mit einem mächtigen Bierbauch, der über einen eng zusammengezogenen Gürtel schwappt. Die Hemdknöpfe stehen über dem Bauch offen, und an den Füßen hat er Schuhe ohne Senkel. Aber es ist ein freundliches Gesicht, das sie anschaut, auch wenn es unrasiert ist, und trotz der Wochenendfahne.
»Willkommen«, sagt die Mama und nickt. »Ich heiße Linnea.«
Sie wirkt klein an der Seite ihres Mannes, das braune Kleid sitzt eng um ihren runden, knubbeligen Körper. Mit einer weißen Schürze könnte man sie für eine Metzgersfrau halten, denkt Eivor.
»Ist das Essen fertig?«, fragt Artur und sieht seine Frau an.
»Gleich«, sagt sie. »Geht rein und setzt euch schon mal.«
Das Wohnzimmer ist lang und schmal. Vor dem Fenster stehen Blumentöpfe. Neben der Küchentür gibt es eine alteTretorgel. Die Sitzgruppe ist abgenutzt, in einer Ecke guckt eine Feder durch den Bezug.
»Das ist ein schlimmer Hund«, sagt Artur wieder. »Aber so lieb.«
»Was gibt’s heute?«, fragt Jacob.
»Beefsteak«, antwortet Linnea aus der Küche. Es duftet gut vom Herd her, ein Geruch, den Eivor von Hallsberg kennt, den sie aber in ihrer eigenen Wohnung noch nicht zustande gebracht hat.
»Vielleicht magst du keine Hunde?«, fragt Artur.
»Doch«, sagt Eivor. »Obwohl ich selbst eine Katze habe. Oder hatte. Sie ist nicht mit hier.«
»Entweder mag man Hunde oder Katzen«, sagt Artur.
»Man kann auch Hunde und Katzen mögen«, ruft Linnea aus der Küche.
»Das hast du noch nie gesagt«, versucht sich Jacob in das Gespräch einzumischen.
»Meine Katze ist doch in Hallsberg!«
Artur hört aufmerksam zu, er zieht seine gewaltigen Augenbrauen hoch. Eivor weiß nicht so recht, wie sie diese riesige Gestalt einschätzen soll, die beinahe das halbe Sofa einnimmt. Ist er so streng, oder ist es nur seine Größe, die diesen Eindruck macht?
»In Hallsberg muss man umsteigen«, sagt er. »Zu der Zeit, als ich Ringer war, musste man immer in Hallsberg umsteigen.«
Dann erhebt er sich mit unerwarteter Leichtigkeit aus seiner Sofaecke, und die ausgeleierten Sprungfedern kehren in Ruhestellung zurück. Er zeigt auf einen kleinen Schrank mit viereckigen Glasscheiben. »Die Preise«, sagt er. »Komm her und sieh sie dir an!«
»Vielleicht interessiert sie das nicht«, sagt Jacob und verzieht das Gesicht.
Aber Eivor ist schon aufgestanden, und er öffnet die Glasschranktür und zeigt ihr seine Plaketten und Pokale. Da gibt es Auszeichnungen von Stadtmeisterschaften und Kreismeisterschaften, von Distriktwettbewerben und Freundschaftskämpfen. Auf einem kleinen Zinnpokal liest sie, dass dieser Preis dem Schriftsetzer Artur Halvarsson zuerkannt wurde.
»Waren sie Schriftsetzer?«, fragt sie und zeigt auf den Pokal auf seiner kleinen Samtdecke.
»Ich bin Schriftsetzer«, antwortet er. »In Sjuhäradsbydens Druckerei, falls du die kennst.«
»Doch«, sagt Eivor. »Von der habe ich gehört.«
Sie erinnert sich an die zusammengeklebte Pornozeitschrift, die aus dem Bett fiel, als sie nach ihrer Ankunft in Borås ihre Matratze umdrehen wollte.
»Was gehört?«, sagt Artur und runzelt seine großen Augenbrauen.
»Schluss jetzt«, sagt Jacob.
»Ich wundere mich nur, was ein neu zugezogenes Mädchen aus Hallsberg von meinem Arbeitsplatz gehört haben kann«, sagt er und reibt sich seinen Stoppelbart. »Das wird doch wohl noch erlaubt sein?«
»Ich
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