Daisy Sisters
weiß nur, dass es eine Druckerei mit diesem Namen gibt«, sagt Eivor und fragt sich, worauf sie sich da eingelassen hat.
»Du weißt natürlich, dass wir Pornozeitschriften drucken«, sagt Artur und sieht sie scharf an.
»Ja«, sagt sie.
»Na, also.«
Artur setzt sich wieder, Linnea steht in der Küchentür, und Jacob trommelt irritiert mit den Fingern.
»Natürlich sollte man am besten kündigen«, fährt Artur fort. »Aber es ist eben so, dass eine Druckerei, so fest sie auch mit einer politischen Partei verknüpft ist, doch von derMarktlage abhängt. Es ist verdammt noch mal nicht lustig, den einen Tag sozialdemokratische Parteiprogramme zu drucken und am nächsten Tag irgendso einen Scheiß. Aber so ist es nun mal, und da muss man sich reinfinden.«
»Es ist ein grässlicher Schund«, sagt Linnea bestimmt, während sie so in der Küchentür steht und zuhört.
»Die Parteiprogramme oder die Zeitschriften«, sagt Artur verbiestert.
»Jetzt sei nicht albern«, sagt Linnea und kehrt sich wieder zum Herd um.
Hat sie es übel genommen? Eivor sieht Jacob rasch an, aber er schüttelt den Kopf.
»Setzt euch«, sagt Artur, und plötzlich versteht Eivor, dass er ein Mann ist, dass er es als selbstverständlich ansieht zu bestimmen und dass er selbstverständlich erwartet, dass man ihm gehorcht. Einen kurzen Moment bekommt sie Lust, in die Küche hinüberzugehen und Linnea mit dem Essen zu helfen. Aber sich in der Opposition zu befinden, danach hat sie noch nie gestrebt.
»Auch ein alter Sozialdemokrat wie ich, der schon dabei war, als die Zeiten so schlecht waren, dass die Wandläuse demonstriert haben, auch so einer muss einsehen, dass die Zeiten sich ändern«, sagt Artur.
»Aber ihr seid zu jung, um das zu verstehen«, fährt er fort. »Jetzt gibt es Autos und Rockmusik, und die Leute können ›Nein, danke‹ zu einem Job sagen, wenn er ihnen nicht passt. Als ich in eurem Alter war, da putzte ich anstandslos Scheiße hinter wem auch immer weg, wenn ich nur dafür bezahlt wurde.«
»Nicht jetzt«, sagt Linnea. »Wir wollen gleich essen.«
»Ja, ja, verdammt. Ich erzähl doch nur, wie es früher war.«
Schweigen und Warten aufs Essen. Jacob hockt auf seinem Stuhl, und Eivor fragt sich, ob er sich ärgert. Er hätte jaeinfach allein nach Hause gehen können und sagen, sie hätte keine Zeit.
Als sie am Esstisch in der Küche sitzen, merkt Eivor, dass es anfängt, ihr zu gefallen. In einer gemütlichen Wohnung zu sein, ein warmes Essen zu bekommen, das auch wirklich nach warmem Essen schmeckt , das hat sie vermisst.
Auch wenn es lauter zugeht an diesem Esstisch im Stadtteil Norrby, Borås, als in dem Haus in Hallsberg, so findet sie doch etwas wieder, eine Verbindung zurück, zu Elna und Erik …
»Schmeckt es nicht?«, fragt Linnea und reicht ihr die Platte hinüber.
»Doch … Ich denke nur«, sagt sie.
»Das ist nicht gut für die Verdauung«, sagt Artur gebieterisch. » Nach dem Essen soll man denken.«
»Da schläfst du doch gleich ein«, sagt Linnea und zwinkert Eivor zu.
»Das ist nur eine höhere Form von Gedankenarbeit«, sagt Artur, der keine Antwort schuldig bleibt. »Wenn Lenin schlief, löste er immer ein Problem. Wenn er aufwachte, wusste er genau, was er tun musste.«
»Lenin ebenso wie du«, sagt Linnea.
»Ja. Genau. Lenin. Gibst du mir die Sauce?«
Jacob bringt sie nach Hause. Sie gehen durch die Stadt. Es ist Frühling. »War es anstrengend?«, fragt er.
»Nein«, sagt sie. »Im Gegenteil. Ich mag sie. Aber was halten sie von mir?«
»Sie finden dich gut.«
»Woher willst du das wissen?«
»So was merkt man.«
»Ja. Es ist wohl nicht das erste Mal, dass du jemanden zum Essen mit nach Hause gebracht hast.«
Darauf antwortet er nicht.
Sie stehen eine Weile auf der Straße und umarmen sich. Als er ihr über den Nacken streicht, weiß sie, dass er gleich vorsichtig mit dem Nagel an ihrem Ohr kratzen wird.
Als er das gemacht hat, geht er.
Aber er kommt zurück, und immer öfter sind sie zusammen.
An einem Mittwochabend Anfang Mai entschließen sie sich, ins Kino zu gehen, und als Jacob in der Tür steht, weiß er bereits, was sie sehen werden. » Sturmangriff «, sagt er. »Im Skandia. Der ist bestimmt klasse.«
Plötzlich ist sie wütend, dass er bestimmt, wie so oft, wie eigentlich immer.
»Es gibt einen anderen Film, in der Roten Mühle«, sagt sie. Aber wie hieß der noch mal? Evald Larsson, der sonst nie ins Kino geht, ist von einem seiner Kinder mitgeschleppt worden,
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