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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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können: Hierher gehören wir. Aber mit der Ruhe und Geborgenheit kam auch die Gewöhnung, die Routine. Frühstück auf dem Tisch für Jacob, wenn er morgenmufflig und wortkarg aus dem Badezimmer gestolpert kam. Da war sie selbst schon über eine Stunde auf. Hatte sich angezogen, geschminkt, vielleicht sogar seine Schuhe geputzt … Wenn er gegangen war, hatte sie gelüftet und aufgeräumt, hatte eingekauft und den Tag mit kleinen Alltagsverrichtungen ausgefüllt. Wenn er kurz nach sechs heimkam, stand das Essen auf dem Tisch, und es gab niemals etwas anderes als das, was er bestimmt mochte. An den Abenden sahen sie fern, und wenn er in der Nacht mit ihr schlafen wollte, wollte sie natürlich auch, solange die Schwangerschaft es zuließ.
    Es war eine Zeit, in der alles in eine große Stille eingekapselt war; alles, außer dem Kind, das in ihr wuchs. Natürlich fühlte sie sich oft einsam. Manchmal, wenn sie in der leeren Wohnung herumging, bekam sie Angst: vor dem Kind, vor dem Leben außerhalb ihrer vier Wände. Aber das behielt siefür sich. Das war nichts, worüber Jacob nachzudenken brauchte. Er war der Versorger, durch ihn war das Leben, das sie lebten, möglich, und wenn sie manchmal zu wenig Haushaltsgeld bekam, sagte sie nichts und sah lieber zu, wo sie sparen konnte. Wenn er mit einer Mischung aus Stolz und Zufriedenheit erzählte, dass er während des Tages drei Fahrräder verkauft hatte, obwohl es schon langsam Winter wurde, so freute sie sich mit ihm und hörte sich geduldig alle Details an: wer welches Fahrrad gekauft hatte, welche Farbe es gehabt hatte, mit welchem Zubehör er es hatte vervollständigen können.
    Sie hatten eine gemeinsame Zeitrechnung geschaffen: vor der Geburt des Kindes und nach der Geburt des Kindes. Alles, was vorher war, war eigentlich nur Warten. Aber alles, was danach kommen würde … Es war die reinste Orgie von Plänen und Träumen. Jacob – meist führte er das Wort – meinte, dass sie sich zuerst eine größere Wohnung suchen sollten, gerne in Sjöbo, wo Eivor während ihrer ersten Zeit in Borås gewohnt hatte. Und dann könnten sie ein eigenes Haus bauen, aber vorher würden sie natürlich ein Auto kaufen, und Jacob saß mit Bleistift und Block da und rechnete, und manchmal verschwand er abends, um sich gebrauchte Autos anzusehen. Lange vor dem Geburtstermin hatten sie den Kinderwagen und die Ausstattung gekauft, und diesmal suchte Eivor aus. Es war ein Dornröschenleben, sie war eine wache, aber trotzdem schlafende Prinzessin, die sich jeden Tag fragte, ob sie glücklich wäre, und sich nie um eine Antwort kümmerte. Sie las selten eine Tageszeitung – sie meinte, dass sie dafür keine Zeit hätte –, und es war Jacob, der als Bote von der Außenwelt kam, natürlich im Verein mit den flimmernden TV-Bildern.
    Wenn er bedrückt war, nach schlechten Tagen, an denen er wenig verkauft hatte und schwierige Kunden bedienenmusste, tat er ihr leid. Aber meist waren die Tage gut, die Fahrräder fanden Abnehmer, ebenso die Fußbälle, Tischtennisschläger, die Spikes … Wenn er erzählte, dass er wohl eines Tages Geschäftsführer werden könnte, um dann den großen Sprung zu wagen und ein eigenes Geschäft aufzumachen, war sie stolz auf ihn. Natürlich würde er es schaffen …
    »Die Leute haben immer mehr Freizeit«, sagte er. »Und wir verkaufen ihnen Sachen, damit sie sich nicht langweilen.«
    Ende Oktober würde er zu einer Fortbildung nach Hindås fahren. Von Samstag bis Sonntag sollte er den Unterschied zwischen dem Überzeugen und dem Überreden eines Kunden lernen. Als er ihr vorschlug, an dem Wochenende bei Artur und Linnea zu wohnen, um nicht allein zu sein, antwortete sie, dass sie schon zurechtkäme. Als er abgefahren war, wurde sie jedoch von einer so großen Angst befallen, dass sie das Gefühl hatte, mit jemandem reden zu müssen. Aber statt Linnea anzurufen, wählte sie die Nummer von Liisa, und sie hatte Glück, sie war zu Hause. Gegen fünf Uhr schellte Liisa an Eivors Tür, und dann gingen sie beide auf die Straße und bewunderten Liisas Auto, das sie sich von ihrem eigenen Geld gekauft hatte. Es war ein rostiger Ford, aber es war ihrer, und er war bezahlt.
    Beim Kaffee betrachtet Liisa Eivors Bauch. »Man sieht ja kaum etwas«, sagte sie.
    »Ich finde schon!«
    Eivor fühlt sich unter Liisas prüfenden Blicken plötzlich unsicher.
    »Was schaust du so?«, fragt sie.
    »Warum siehst du so ängstlich aus?«
    »Ich frage mich nur, wonach du schaust?«
    »Ich

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