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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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schaue dich an! Ob ich dich wiedererkenne.«
    »Tust du das?«
    »Ich weiß nicht … Doch, das tu ich wohl.«
    Sie sieht sich in der Wohnung um, vor sich hin brummelnd. »Sieht ganz so aus, als ob hier jetzt ein Kerl wohnt«, sagt sie schließlich.
    »Das stimmt ja auch.«
    »Ja, ja … weiß ich doch. Schau nicht so ängstlich!«
    Das Gespräch verläuft träge und ist anstrengend. Eivor hat das Gefühl, dass Liisa sie anzugreifen versucht. Jede Frage, jeder Kommentar, wie unschuldig er auch ist, erscheint ihr als versteckter Angriff.
    »Ich meine das, was ich sage. Nichts anderes. Hast du völlig vergessen, wie ich bin?«
    Und dann, mit plötzlichem Nachdruck, als ob sie begriffen hätte, was los ist: »Wie lange ist es jetzt her, seit du mal raus warst?«
    »Wie meinst du das?«
    » Raus! Weg von hier!«
    »Damit habe ich aufgehört. Das geht ja jetzt nicht …«
    Als Liisa vorschlägt, eine Spritztour mit dem Auto zu machen, will Eivor nicht, aber Liisa gibt nicht nach. Sie muss Eivor beinahe mit sich ziehen und knufft sie in ihren rostigen Ford.
    »Ich gehe nirgendwo rein«, sagt Eivor.
    »Das werden wir auch nicht«, sagt Liisa. »Nicht, bevor wir zum Park kommen.«
    Eivor starrt sie an, als ob sie sie mit einer Axt bedroht hätte. Sie meint doch wohl nicht … dass sie in den Park gehen und tanzen soll? Sie muss doch verstehen, dass das unmöglich ist …
    »Ich verstehe, wie das ist«, sagt Liisa ironisch. »Beruhige dich! Wir werden nirgendwo reingehen. Ich werde dich nur rumfahren, damit du siehst, dass die Welt noch steht …«
    Und dann lacht sie, und Eivor fühlt sich gleichzeitig erleichtert und dumm.
    Liisa nimmt sie mit zu einer Rundreise in ihre alte Welt. Eivor fragt, und Liisa erzählt, wie es den ehemaligen Arbeitskameraden geht. Plötzlich spürt Eivor nicht nur das Kind in ihrem Bauch, sondern auch eine Unruhe, einen Verlust, selbst den unerträglichen Lärm in der Maschinenhalle vermisst sie …
    Liisa fährt in der Stadt herum. Es ist Samstagabend, er ist noch jung, aber sie reihen sich ein in die Karawane rund um den Södra Torget. Alles ist wie immer, vor dem Kino Saga und vor Cecils Konditorei kriecht die Karawane an Gruppen von jungen Menschen vorbei. Eivor wünscht sich einerseits, erkannt zu werden, andererseits hat sie das Gefühl, sich auf verbotenem Terrain zu bewegen. Aber sie sagt nichts, sondern versucht, sich unsichtbar zu machen … Und was würde passieren, wenn einer von Jacobs Freunden sie sähe? So groß ist die Stadt nicht …
    »Du siehst aus, als ob du … Wie heißt das … einen Geist gesehen hättest?«, sagt Liisa.
    »Aber nein …«
    »Warum kannst du nicht sagen, was los ist? Ich sehe es doch …«
    Bald darauf fährt sie sie nach Hause, und dann ist Eivor wieder allein. Sie lässt sich schwer auf einen Stuhl fallen und fragt sich, warum sie nicht gesagt hat, was los war. Dass sie Angst hatte, als sie entdeckte, dass ihr altes Leben verloren war. Sie würde nie mehr zurückkehren können, auch wenn sie es eines Tages wollte. Warum hat sie es abgestritten? Wenn Liisa es doch sowieso gemerkt hat?
    Sie weiß es nicht, und die Unruhe bleibt. Hinzu kommt eine Art schlechtes Gewissen Jacob gegenüber, als hätte sie ihn allein dadurch schon betrogen, dass sie in die Karawane rund um den Södra Torget zurückgekehrt ist.
    Als Jacob am Sonntag zurückkehrt, vollgestopft mit nützlichemWissen (in Zukunft wird er überzeugen , niemals mehr überreden ), sagt sie natürlich, dass alles gut gewesen sei – dass alles gut ist !
    Wenn sie manchmal Angst bekommt, dass mit dem Kind etwas nicht in Ordnung sein könnte, ist Jacob bei ihr und hält ihre Hand auf seine linkische und verlegene Art. Aber er ist da, und das ist das Einzige, was zählt.
    Viele Jahre später dachte Eivor daran, dass sie nichts darüber wusste, wie er die Zeit bis zu Staffans Geburt erlebt hatte. Sie konnte sich nicht erinnern, dass er jemals davon gesprochen hätte, was er fühlte .
    Es war im Dezember, als sie immer häufiger nachts aufwachte. Plötzlich war sie mit einem Schlag hellwach, es waren keine Träume, die sie geweckt hatten, kein Übelsein, nichts. Sie schlug nur im Dunkeln die Augen auf, neben ihr schnarchte Jacob, und alles hätte wie gewöhnlich sein müssen, aber das war es nicht. Nachdem sie eine Weile still im Dunkeln gelegen hatte, stand sie auf, zog ihre Pantoffeln und den Bademantel an und tastete sich hinaus ins Wohnzimmer. Sie knipste die kleine Lampe mit dem roten Schirm an,

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