Daisy Sisters

Tisch und schaut sie mit ihren unruhig umherirrenden Augen an. Nach dieser Pause beginnt der Abend erst richtig. Nicht ein Tisch ist mehr frei, die Männer wandern herum, beobachtend, vorbereitend. Jetzt gilt es …
    »Ist das da gut?«, fragt Kajsa.
    Eivor probiert und nickt.
    »Ich habe davon in Femina gelesen«, sagt Kajsa. »Es war irgendetwas mit Indonesien, glaub ich.«
    Eivor hält es plötzlich nicht mehr mit ihr aus, sie steht auf und bahnt sich den Weg zur Damentoilette, in der es eng und voll ist. Sie schließt sich in einer der Kabinen ein. Es ist eine Gewohnheit von ihr, sich in der Toilette einzuschließen, um Ruhe zu haben. Sie erinnert sich ganz deutlich, dass sie das auch an dem Tag der Hochzeit mit Jacob getan hatte, und das ist mehr als zehn Jahre her.
    Wieder die Zeit! Soll sie pinkeln oder über ihr vergeudetes Leben in Tränen ausbrechen? Sie wird beides nicht tun. Sie muss nicht pinkeln, und das Leben ist schließlich noch nicht zu Ende! Zwei prächtige Kinder hat sie, sie ist gesund, und wenn die Kinder erst einmal besser allein zurechtkommen, wird die Welt schon sehen, dass sie noch Energie übrig hat. Die Frage ist nur, wozu sie die verwenden soll. Sie kann sich nicht vorstellen, wieder die Arbeit einer Schneiderin an der Maschine aufzunehmen. Es muss etwas anderes geben, auch wenn sie nur einen Volksschulabschluss hat. Broschüren über Erwachsenenbildung liegen zu Hause in Frölunda auf dem Nachttisch. Es gibt jede Menge Möglichkeiten, manmuss sich nur zusammennehmen und darf nicht das Handtuch werfen, bevor der Kampf überhaupt begonnen hat. Wenn man nun das Glück hatte, in diesem wohlsituierten Land geboren zu sein, so muss man doch nur noch nach den Möglichkeiten greifen, die wie Trauben am Baum hängen, denkt sie, während sie versucht, eine Inschrift an der Wand zu entziffern, eingeritzt mit Nagel oder Schere: Die Hure Hanne lädt zu Fotze und Kaffee aus der Kanne, ruf einfach 23 68 51 an …
    Der erste Schritt war, Jacob Danke und auf Wiedersehen zu sagen. Geschäftsführer, Direktionsaufgaben in Ymer, aber leider auch pausenloses Fremdgehen mit anderen Frauen. Die Demütigung, dass er sich nicht einmal zurückgehalten hatte, als sie schwanger war, nicht einmal, als sie auf der Entbindungsstation lag. Den Sprung wagen und mit zwei Kindern in die Ungewissheit ziehen, den Brotkorb verlassen und sich einen eigenen kaufen … Doch, sie ist auf dem Weg. Aber das reicht nicht, und wenn sie es nicht schafft, weiterzukommen, die Cafeteria in Torslanda zu verlassen, so wird es wieder zum gleichen Ausgangspunkt führen, direkt in eine neue Ehe …
    Ins Baldakinen gehen zu können, ohne dass sich Konsequenzen ergeben, einen Kerl treffen zu können, ohne dass er mit seinem Gepäck im Schlepptau ankommt und seine Strümpfe und Unterhosen (mit gelben Elchen darauf!) in ihre Kommodenschubladen legt. Oder sie und die Kinder in irgendein Reihenhaus in Mölndal oder Lerum lockt …
    Jemand rüttelt an der Türklinke, und sie erhebt sich vom Toilettensitz, wirft einen Blick in den Spiegel draußen im Vorraum (sie ist sich gleich geblieben: dunkelhaarig, große Augen. Nur die Frisur ist anders, jetzt sind Haarspray und Toupieren verpönt …) und geht wieder hinaus ins Restaurant. Sie kommt noch nicht einmal bis zu ihrem Tisch, als ihrauch schon jemand die Hand auf die Schulter legt. Nach einem hastigen Blick (betrunken? zu alt? Kleidung?) nickt sie zustimmend, und da vorn im Gewimmel auf der Tanzfläche nimmt sie flüchtig den skalpierten Mann mit einer Frau in den Armen wahr …
    Ihr neuer Tanzpartner taucht genau nach Kurt-Rolands Elf-Uhr-Pause auf, gerade als sie ihren Singapore Sling ausgetrunken und sich entschlossen hat, nie wieder so etwas anzurühren. Er hat dunkles krauses Haar, trägt einen beigefarbenen Anzug, weißes Hemd und den obligatorischen Schlips. Sie fixiert ihn sekundenschnell und steht auf.
    Sie tanzen mehrere Tänze zusammen. Nachdem Kajsa verschwunden ist, setzt er sich zu ihr an den Tisch, und schreiend versuchen sie, eine Unterhaltung zu führen. Aber das ist unmöglich, also tanzen sie wieder. Er sagt, dass er Kalle heißt. Kalle, und er fährt Lastwagen, ASGs. Ziemlich regelmäßiger Linienverkehr nach Kalmar und Växjö, manchmal verschlägt es ihn auch nach Nedre Norrland, Sundsvall, Härnösand. Er erzählt so fröhlich und ungezwungen, dass Eivor keinen Grund sieht, ihm zu misstrauen, und als er sagt, dass er vierunddreißig ist, frisch geschieden, drei Kinder, so